Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

nachher nie mehr so furchtbaren Hochwasserkata strophe, da sich in der Nacht vom 28. Februar auf den 1. März 1830 die Fluten der Donau unbarmherzig über die Leopoldstadt, Jägerzeile, Rossau, Liechtental, Althan,- Thury, Alservorstadt, Landstraße, Weißgärber und Erdberg und sogar über Teile der Inneren Stadt ergossen, ungeheure Schäden anrichteten und Not und Leid noch dadurch erhöhten, daß in der Leopoldstadt fünfzig Menschen ertranken. Im Pfarrhof von St. Leo pold mußte das Archiv gerettet werden. Die Kirche blieb jedoch dank den vom Pfarrer wie aus einer Vor ahnung im Winter 1828—1829 durchgeführten Unter mauerungen und Absicherungen der einsturzgefähr deten Grundmauern, Pfeiler und Gewölbe verschont. Das Gotteshaus konnte erst am 17. März mit der Feier des vom Fürsterzbischof angeordneten Requiems für die Hochwasseropfer geöffnet werden Wie ein Abschiedsdank erscheint es, daß Pfarrer Weber „im Ehrentempel der katholischen Geistlichen" unter den Priestern genannt wurde, die sich bei dieser Kata strophe „auf die ruhmvollste Weise benommen haben" Noch im Mai desselben Jahres (1830) resignierte er auf die bisherige Pfarre und ging als Dechant nach Stronsdorf(Dekanat Gaubitsch), was die Chronik inter essanterweise so quittierte: ..Pfarrer Weber lebte für größere Zwecke, nach seinen Kräften und den so wichtigen Zeitumständen gemäß. Übrigens mag er bei St. Leopold das goldene Zeitalter aus allen Pfarreien hier erlebt haben. Seine Resignation ist und bleibt ein Rätsel. Sie geschah frey, und seine eigene Aussage, wie das Urteil anderer lassen den Grund nicht mit Gewißheit angeben". Auffallend ist aber die gewisse Ruhelosigkeit, wechselte er doch nun innerhalb von achtzehn Jahren viermal den Posten. Die eineindrittel Jahre in Stronsdorf waren eine zu kurze Periode, weshalb die Chronik daselbst nichts zu vermelden weiß. Im September 1831 trat Weber in gleicher Eigenschaft sein Amt in Mannswörth (De kanat Fischamend) an, legte jedoch 1835 „wegen schwerer Erkrankung zur Wahrung seines Lebens" das Dekanat nieder. In der dortigen Chronik heißt es aber: „Hat für die Kirche sehr viel getan. Ließ das Innere der Kirche aus eigenen Mitteln renovieren. Gründete bei der Pfarrschule eine Industrieschule, ließ darin auf seine Kosten monatlich acht Mädchen in weiblichen Handarbeiten unterrichten". Wurde am 29. Juli 1839 dann auf die Stadtpfarre St. Stephan in Baden bei Wien investiert, wo wieder lobend in der zuständigen Chronik eingetragen ist: „Unter seiner Leitung wurden Kirche und Altäre renoviert. Von ihm ging auch die Anregung aus zur Gründung der Klein kinder-Bewahranstalt und er selbst hat aus eigenem dazu viel gespendet. Ebenso hat er das Bedürfnis einer Hauptschule sehr unterstützt." Im Frühjahr 1842 zum k. k. Schloßkaplan von Schönbrunn ernannt, gründete Weber bald einen Verein zur Förderung echter Kirchenmusik^*^), starb aber be reits nach sechs Jahren nach Empfang der hl. Sterbe sakramente an Wassersucht und wurde am 15. Jänner 1848 in Altmannsdorf beigesetzt^*'). Das Fehlen einer richtigen Nachlassenschaft -") und gar eines Vermögens ist bei dem Edelsinn und der steten Freigebigkeit dieses Seelsorgers verständlich, der als Vertreter all der vielen Welt- und Ordenspriester gelten darf und mag. die nach ihm bis in die Gegenwart durch ebenso selbstlose Gründung und uneigennützige Mitarbeit sich um das Genossenschafts- und Sparwesen verdient ge macht und dadurch eine zeitgemäße Sparte christlicher Karitas, wahrhaft katholischer Solidarität, betreut haben. Hauptsächliche Quellen und Literatur: PersonalTabelle des Wiener Ordinariates II 45 f.; Personalstand der Wr. Erzdiözese Jg. 1807/49; Chroniken der Pfarren St. Leopold (Wien II.), Mannswörth, Baden bei Wien; Thausing Friedrich, Hundert Jahre Sparkasse. Anläßlich des hundertjährigen Bestandes der Ersten österr. SparCasse (1819 bis 1919), Wien 1919; Weschel Leop. Mat thias, Die Leopoldstadt bey Wien, Wien 1824, S. 465 f.; Krippner Wilhelm, Geschichte der Pfarrkirche „St. Leo pold" in der Leopoldstadt. Gedenkschrift zum 200jähr. Jubiläum 1724^1924, Wien 1925, S. 21 ff.; Lehrerarbeits gemeinschaft, Die Leopoldstadt. Ein Heimatbuch, Wien 1937, S. 115f.; Wiener-Zeitung 1819, Nr. 226, 229; Mit teilungen des Abt. Vorstandes u. Museumsleiters der I. österreichischen Sparkasse Fr. Lenk. — Leider boten das Wr. Diöz. Archiv, das Archiv des Justizmini steriums (dessen Akten zum Teil dem Brand im Juli 1927 zum Opfer fielen), die Liechtentaler Pfarrchronik u. a. kein Material. Wird in C. v. Wurzbachs Biograph. Lex.(1886), Bd. 53, 192 nur erwähnt. Belege und Anmerkungen: ^) In Österreich übliche ital. Form von Kasse (Der große Duden). 2) *30. 3. 1818 zu Hamm (Sieg), Verwaltungs beamter und Bürgermeister, seit 1865 nur mehr genos senschaftlich tätig, 1 11. 3. 1888. Der große Herder (1955) VII 810. 3) Thausing Friedr., Hundert Jahre Sparkasse, S. 18 ff. Ebd. S. 445/48. Darunter der obgenannte Ver fasser der Leopoldstadt k.k. Hof-Kriegskonzipist L. M. Weschel, 11844. ^) Thausing, a. a. O. S. 22. ") Wiener-Zeitung 1918, Nr. 229. — Amtstage waren Dienstag und Freitag; der Not gehorchend, da sonst ca. neun Zehntel der „dienenden Klasse" von den Wohltaten des Institutes ausgeschlossen gewesen wären, mußten die Einlagen bei einheitlichem Zinsfuß von 4 Prozent in C. M.und W.W.angenommen werden. Thausing, a. a. O., S. 29, 30. — C. M. (Conventions-- Münze) hieß die auf Grund einer Konvention mit Bayern eingeführte Währung. Stand von 1753/1857 in Gültigkeit, wurde jedoch nach dem Finanzkrach von 1811 auf einige Jahre durch die Wiener Währung (W. W.) unterbrochen, von der man 1816 wieder zur Kon ventionswährung zurückkehrte. Das Wertverhältnis zwischen beiden Währungen war: 100 Gulden C. M.= — 250 Gulden W. W. Mitgeteilt von der Bundessamm lung von Medaillen, Münzen und Geldzeichen (Kunsthistor. Museum, Wien). ') Wörtl. Abdruck b. Thausing, a. a. O., S. 25; *=*) Sh. Thausing, Beilagen: Bewegung im Einlagsu. Rückzahlungsgeschäfte u. Übersicht über die Ge schäftsgebarung (v. 1819—1919): So ergaben sich mit Ende 1819: 20.607 fl. C. M. an Einlagen (bei 1697 Par teien). 1848: 4,040.342 fl. C. M. an Einlagen (bei 61.733 Parteien), Gesamtvermögen: 27,337.102 fl. C. M. etc.; *') Sh. dazu das ganze Werk v. Thausing, das die Entwicklung bis 1919 behandelt; 10) Ebd. S. 445; ")Ebd. S. 21, Anm. 2; i*') Machte die heutige Namenskürzung notwen dig; 1**) Thausing, a. a. O., S. 46, Anm. 1, ff.; Meßner Eugen, Die Innere Stadt, Wien—Leipzig 1928, S. 29; !•') Thausing, a. a. O., S. 37, 45.

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