Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Beiträge Diözesangesdiidite BE I LAQE DES WI ENER DIÖZE5ANBLATTES Nr. 9 (September 1964) 102. Jahrgang Nr.5 Wien,am 1.September 1964 5.Jahrgang Inhalt: 19. Kardinal Cölestin Joseph Gangibauer, Fürsterzbischof von Wien. III. Von seiner "Wirksamkeit als Oberhirte (1881—1889). Fortsetzung. — 20. Meßstiftungen an der ehemals landesfürstlichen Pfarre Prigglitz und ihr Schicksal. 19. Kardinal Cölestin Joseph Gangibauer,Fürsterzbischof von Wien m.Von seiner Wirksamkeit als Oberhirte (1881—1889) (Fortsetzung) Dr. Franz Loidl Bei all seiner Friedensliebe und Konzilianz war der Erzbischof zweimal gezwungen, feierlichen, schar fen Protest in der Öffentlichkeit zu erheben. Den ersten Anlaß boten zwei Gemälde des russischen Malers W. W. Wereschtschagin (f 1904)®®)im Künstler haus, der vom romanhaften frivolen „Leben Jesu" Ernst Renans abwegig inspiriert, Christus als den erstgeborenen Sohn einer mit Kindern reich gesegneten orientalischen Familie und den Auferstandenen als vom Scheintod erwacht, aus einer Öffnung der Gra beshöhle hervorspähend in unwürdig, wahrhaft ab stoßender Gestalt, vor der die erschreckten Wächter die Flucht ergreifen, darstellte. Von einem Vertrauensmann auf dieses Ärgernis aufmerksam gemacht und durch Einblicknahme in den Ausstellungskatalog und durch eine photographische Reproduktion unterrichtet, erklärte er am 8. Novem ber 1885 „unmißverständlich mannhaft fest": „Schmerzlich berührt durch solche Entwürdigung des Heiligtums, was es für Christen gibt, der höchsten Ideale für wahre christliche Kunst, hielt ich es als Bischof für meine Pflicht, Schritte zu tun, diese das katholische Bewußtsein so tief verletzenden Bilder in schonendster und möglichst unauffälliger Weise den Blicken der Ausstellungsbesucher zu entrücken. Da diese Schritte nicht zum Ziele führten und dieselben zu meinem tiefsten Bedauern in verschiedenen Tages blättern fortwährend als Reclame für die frevelnden Bilder mißbraucht werden, bleibt mir als Bischof, dem die eidlich beschworene strenge Pflicht obliegt, unse ren heiligen, katholischen Glauben nicht bloß zu leh ren, sondern auch gegen jedwede Angriffe nach Kräf ten zu verteidigen, nichts anderes übrig als gegen die glaubenslose Auffassung und Darstellung dieser bei den Gemälde und gegen ihren unwürdigen Kampf wider das Christentum feierlich und in aller Form Einsprache zu erheben, die gläubigen Katholiken vor der Beteiligung an diesem Frevel zu warnen und dem gottmenschlichen Erlöser für die Schmach, welche er durch die Ausstellung dieser Gemälde im katholischen Wien erdulden muß,im Namen aller gläubigen Diözesanen laut und öffentlich Abbitte zu leisten"®"). Dies geschah am 8. Dezember durch eine großartige Sühnungsfeier in St. Stephan, bei der Tausende Wiener Katholiken beiderlei Geschlechts die hl. Kommunion empfingen®®). Mit Datum vom Feste Mariä Himmelfahrt d. J. 1889 mußte sich der greise Erzbischof von seinem eb. Sommerschloß in Ober-St. Veit (Wien XIII) aus wider das Freimaurertum wenden, „dessen Bestreben istj jede kirchliche und staatliche Autorität zu untergra ben, den Völkern ihre Religion zu nehmen und sie dem Atheismus in die Arme zu treiben, das seit jeher am heftigsten ankämpfte, selbst mit den Waffen der Lüge und Verleumdung, gegen die katholische Kirche, speziell gegen das Papsttum, weil es sah, wie ruhig und unerschütterlich dieser Fels durch alle Jahr hunderte herauf auch den gewaltigsten Stürmen ge trotzt, und daß so gerade die katholische Kirche mit dem Papsttum die stärkste Gewalt gegen jeden Ver such einer Untergrabung des positiven Christentums und der kirchlichen und weltlichen Autorität ist." Veranlaßt wurde dieses Hirtenschreiben, weil am Pflngstsonntag, d. J. dem vom Orden und vom Glau ben abgefallenen, lasziven Exdominikaner und frei geistigen italienischen Philosophen Giordano Bruno (t 1600) — in dem der neuere kirchenfeindliche Zeit geist eben seinen Haupthelden verehrt — in der Ewi gen Stadt ein Denkmal gesetzt und damit eine provo zierende, z. T. unter der Patronanz des Satans stehende Enthüllungsfeier verbunden wurde, worauf sich Papst Leo XIII. begreiflicherweise zur Brandmarkung dieser Schändlichkeit und zum Ausdruck seines Schmerzes über diese ihm und der gesamten Kirche zugefügte Beleidigung in einer längeren Ansprache an die Kar dinäle und italienischen Bischöfe und darüber hinaus an die ganze katholische Welt wandte. Wie nun der tief gekränkte Papst „einerseits alles Vertrauen auf Gott in dieser Heimsuchung setzt und als Vorbild sei ner Herde zu unablässigem Gebet seine Zuflucht nimmt, andererseits aber im Namen alles göttlichen und menschlichen Rechtes mit ungebeugter Entschie denheit seine apostolische Verwahrung gegen diese neue Verletzung seines Ansehens und seiner recht mäßigen Freiheit in alle Welt sendet, so ziemt es zu nächst allen Priestern und durch sie und mit ihnen allen treuen Gliedern der Kirche dasselbe zu tun". Der Protest solle nun geschehen von selten der Priester durch aufklärende Predigt über die Gefährlichkeit der 33

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