Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Beiträge Diözesangesdiidite BEILAQE DES WIENER DIÖZESANBLATTES Nr. 6 (Mai 1964) 102. Jahrgang Nr. 3 Wien,am 1.Mai 1964 5.Jahrgang Inhalt: 11. Kardinal Cölestin Joseph Gangibauer, Fürsterzbischof von Wien. II. Um die Erhebung auf den erzbischöflichen Stuhl. — 12. Mitarbeiter am Kopallik'schen Regestenwerk: Pfarrer Josef Neubauer. — 13. Zur Geschichte der alten Pfarrkirche in Stockerau. — 14. Meßstiftungen an der.ehemals lan desfürstlichen Pfarre Prigglitz und ihr Schicksal. 11. Kardinal Cölestin Joseph Gangibauer,Fürsterzbischof von Wien II. Um die Erhebung auf den erzbischöflichen Stuhl. Dr. Franz Lo1 d I. Am 27. Jänner 1881 war Kardinal Fürsterzbischof von Wien, Johann Rudolf Kutschker, ein Schlesier, gestorben, nachdem er seit 1862 als Generalvikar sei nem Vorgänger Kardinal Rauscher gedient hatte und seit 12. Jänner bzw. 30. April 1876 der Wiener Erz diözese als Ordinarius vorgestanden war^). Es galt nun für den ersten Kirchenposten der österreichisch-unga rischen Monarchie eine geeignete und würdige Per sönlichkeit ausfindig zu machen. Der damalige farblose^) Minister für Kultus und Unterricht Sigmund Freiherr Conrad v. Eybesfeld, dem auf Grund seines Ressorts die Aufgabe oblag, Kaiser Franz Joseph den Nachfolger Kutschkers vorzu schlagen, streckte daher seine Fühler aus und wandte sich wie üblich am 3. Februar d. J. an die beiden Suffragane: Bischof Franz Joseph Rudigier (1852 bis zu seinem Tod am 29. November 1884) von Linz und Bi schof Matthäus Josef Binder(1872—1893) von St. Pölten, um Vorschläge. Beide unterzogen sich gewissenhaft dieser heiklen und verantwortungsvollen Aufgabe. Als unbeugsamer Charakter und energischer Verteidiger der kirchlichen Rechte im Konkordatssturm und gegen die inter konfessionellen Staatsgrundgesetze und besonders durch seinen konfiszierten Hirtenbrief über Schule und Ehe vom 7. September 1868 bekannt-''), nahm es der „Bekennerbischof" Rudigier beispielhaft ernst mit dem ministeriellen Auftragt). Die Aufgabe sei sehr schwie rig, leitete er sein mit 23. Februar datiertes Schreiben an den Minister ein. Das sei auch der Grund dafür, daß er so lange zugewartet habe und „unter dem 19. d. M. betrieben werden mußte." Seine Ausführun gen unterstreichen denn auch die Bedeutung des Wie ner Bischofsitzes, der als Metropolitanstuhl eminent der wichtigste Bischofstuhl in Österreich sei. Der Metropolit von Wien habe eine große, für die Monar chie einflußreiche, mit vielen und sehr bedeutenden Gebrechen behaftete Diözese zu leiten. Er sei der na türliche Mittelpunkt des österreichischen Episkopates, namentlich könnten Bischofsversammlungen fast nur in Wien abgehalten werden, Versammlungen, die so wichtig, ja im Interesse der Kirche unei-läßlich not wendig seien. Er stehe der jeweiligen Regierung, ja Sr. Majestät dem Kaiser selbst fortwährend nahe imd werde über kirchliche Angelegenheiten von maßge bendster Seite oft konsultiert oder sei in der Lage, auch unaufgefordert Vorstellungen zu machen oder Ratschläge zu erteilen. Endlich sei er oft die einzige Partei der Kirche im Herrenhaus des österreichischen Reichsrates. „Deswegen", fuhr er fort, „soll ein Erzbischof von Wien die Eigenschaften eines gewöhnlichen Bischofs in steigendem Grade besitzen, soll daher unterrichtet, sehr fromm, sehr liebreich, sehr leistungsfähig, sehr katholisch und diesfalls mit einer Entschiedenheit aus gestattet sein, wie ein hl. Johann Baptist oder ein Kar dinal Migazzi..." Se. Exzellenz sei Staatsmann genug, um zu wissen, daß katholische Entschiedenheit und wahres Staatswohl sich nicht ausschließen, sondern bedingen, flocht er vielleicht mit Anspielung auf seine einstmals notwendige mutige Haltung ein und betonte dann weiter, eine letzte, für den Wiener Erzbischof notwendige Eigenschaft sei, daß er noch in guten Jah ren stehe, so daß man hoffen könne, er übernehmesein Amt mit ganzer Manneskraft und könne sein System so lange ausführen, bis es sich eingelebt habe. Von diesem Standpunkt ausgehend erlaube er sich, folgende Männer zu bezeichnen, die Sr. Majestät für den in Rede stehenden Zweck gegenwärtig gehalten werden können: I. Dr. Ernest Müller, Domkapitular von Wien und Direktor des dortigen f. e. Clerikalseminars®), Er be sitze die angegebenen Eigenschaften in hohem Grade, sei ein in der theologischen Welt sehr bekannter Schriftsteller, dessen Moral (drei Bände, Wien 1873/76) vortrefflich und an sehr vielen theologischen Lehr anstalten Vorlesebuch sei. Als langjähriger Direktor des Clerikalseminars kenne er einen großen Teil des Diözesanklerus und sei von diesem Teil, aber gewiß auch von den übrigen Priestern der Diözese sehr ver ehrt. II. Fürstbischof Dr. Johann Zwerger von Seckau®). Der habe die bischöflichen Eigenschaften bereits durch eine geraume Zeit in Graz bewiesen und sich un ermeßliche Verdienste um jene Diözese durch seine hervorragende schriftstellerische Tätigkeit, aber auch um die Kirche überhaupt erworben. Erwähnt sei auch Feldbischof Dr. Anton Gruscha in Wiem), über den Rudigier nun erklärt, er würde ihn prima loco setzen, wenn er die Uberzeugung hätte, daß er die oben geforderte Entschiedenheit besäße. 17

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