Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

und Bürgerschule) des, 26., bzw. 45. Wiener Inspek tionsbezirkes betraut^®). War nun Stauraez auch nicht gerade der beste Methodiker, so besaß er dafür als pädagogisches Zaubermittel „einen tiefgründigen Glauben mit herz licher, wahrhaft väterlicher Liebe"^'), wodurdi er überall seine Schüler an sich fesselte. So gibt ein mit Edm. W. unterzeichneter Lehrerschüler in einem Nach ruf folgende Schilderung: „Ich sehe ihn noch vor mir, wie er freundlich und lächelnd das Schulzimmer be tritt... Der idealste Frexmd seiner Schüler. Freund... das war er uns in der idealsten und schönsten Bedeu tung des Wortes. Keine Kleinigkeit imd Nichtigkeit im Leben seiner Schüler war ihm zu gering, daß er sie nicht eines teilnehmenden Wortes gewürdigt hätte. Er freute sich mit uns, wenn uns Freude beseelte, und er trauerte mit uns, wenn uns Schweres traf. Mit väterlicher Güte übersah er oft und oft unsere tollen, übermütigen Studentenstreidie und war nie froher und glücklicher, als wenn er ein Zeichen unse rer Anhänglichkeit bemerkte. Dabei ging er mit Leib und Seele in seinem Beruf als Erzieher auf. Diese Tätigkeit, die er als Erzieher ausübte, kann nur der voll und ganz würdigen, der sein Schüler war. Seine kirchengesdiichtlichen Vorträge fußten auf einem eigenen Manuskript und waren bis in die letzte Zeit fortgeführt. In herrlicher Weise entrollte er uns da die Geschichte der katholischen Kirche. Oft unter brach er seinen Vortrag, um aus seinem eigenen rei chen Leben Beispiele anzuführen, und verstand so selbst diejemgen unter uns, die sonst keine besonders Eifrigen im Religionsimterridit waren,zufesseln..."^®) In seiner äußerst aufgeschlossenen Broschüre- „Liebe als Erziehungsprinzip"^®), legte er seine bis heute gültigen pädagogischen Grun<^tze dar. Das glänzendste Zeugnis für eine Schule sei es, wenn der. Schüler noch nach Jahren mit Freude und Dankbar keit an seine Schulzeit imd die Stätteseiner Ausbildung zurückdenke, wie es auch für den Lehrer ein Ehren zeugnis bedeute, wenn der Schüler noch im vorge rückten Alter Gefühle der Dankbarkeit imd Liebe für ihn bewahre, was ja bei Stauraez wahrlich zu traf. Die Schule dürfe nie als carcer erscheinen. Der junge Mensch wolle echte Freude haben. Werde sie ihm in der Schule nicht geboten, so suche er ver botene Freuden. Schönste Schulpaläste machten die Schule nicht zum Himmel. Die werde erst durch die Persönlichkeit des Lehrers zum angenehmsten Auf enthaltsort. Freimütig wies er auf Ursachen hin, wes halb manche Lehrer sich zu Sklavenhaltern entwür digten, und nannte u. a. die Furcht vor den Schulinspek tionen, Freudelosigkeit am Beruf, Fachlehrersystem vornehmlich in den unteren Klassen, Poltern und Schlagen. Verhängnisvollst wirkten sich eben aus Mangel an Wohlwollen, Überstrenge oder gar Sklaven art, und dies — ganz besonders im Religionsunterricht, denn hier übertrage sich die Abneigung gegen den Lehrer auf die von ihm verti'etene Sache. Der Re ligionslehrer habe sich daher in erster Linie als Seel sorger zu erweisen. Religion sei nicht nur Sache des Verstandes, sondern auch des Herzens. Sie müsse ge lebt werden. Wenn sich doch jeder Lehrer in seine Schulzelt versetzen möchte, dann würde er gerade In den Tölpel- und Flegeljahren seiner Schüler um die Wichtigkeit der Liebe, der sich nie erschöpfenden Ge duld imd des Vertrauengewinnens wissen. Nach der Behandlung der Probleme um die rich tige Klassifikation, über die Fleißmotive und die Quel len des Unfleißes und der Unbotmäßigkeit giiff er die dauernd aktuelle und so heikle Erzieheraufgabe der Sexualaufklärung auf, bei der Haus, Schule, Kirche, Staat und Gesellschaft zusammenwirken müssen und die Gesamterziehüng ins Auge zu fassen sei, hob noch einmal eindringlichst den Wert und die Pflege der „Reinheit" hervor, da sonst alles in der Jugenderzie hung verloren'sei, und betont neuerlich, daß die Re ligion nie bloßer Unterrichts- imd Fachgegenstand al lein sein dürfe. Zum Schluß appellierte er an die Not wendigkeit der Reform der Lehrer. Lapidar und einprägsam lautete denn auch eine der Hauptdevisen dieses besorgten Priesterpädagogen für seine Schüler und Jugendlichen, wie das Totenbildchen vermeldet: „Bewahret den Glauben, bewah ret die Reinheit!" Als echter Jugendseelsorger verlor er seine Schüler auch nach dem Schulaustritt nicht aus dem Auge und trachtete, sie ganz nach dem Empfinden dieser organisationsregen Periode in Vereinen zu er fassen und zu betreuen. So gründete er als ehemali ges Mitglied des Stammvereins für seine ausgetretenen Volks- und Bürgerschüler in seinem Bezirk als Zweigund Bruderverein den katholischen Jünglingsverein „Margareten" und schuf ihm im Hause des katho lischen Arbeitervereins in der Kohlgasse (Nr. 37), wo auch ein Theatersaal zur Verfügung stand, eine Heimstätte bis zur Beschlagnahme durch den Natio nalsozialismus i. J. 1938^^®). Die Gruppe nahm einen solchen Aufschwung, daß sogar eine nach Stauraez benannte Musikkapelle auf die Beine gebracht werden konnte, die bei weltlichen wie kirchlichen Veranstal tungen mitwirkte. Er selbst benützte als rühriger Präses jede Gelegenheit zur Werbung, so wenn er z. B. im „Apostolat der christlichen Tochter", dem weiblichen Gegenstück zum Jünglingsverein, „in seiner fesselnden und praktischen Rede darlegte: Wie der Mensch überhaupt und die Jugend insbesondere oft eines guten Rates bedürfe und wie dieser in katho lischen Vereinen oft gegeben werde, wie man in die sen Vereinen immer wieder aufmerksam gemacht werde auf den einzig sicheren Weg der katholischen Kirche und auf das letzte Ziel, das man ja nie aus dem Auge verlieren solle. Was das Apostolat für die weibliche Jugend, das sei der katholische Jünglings verein für die männliche." Darum die Aufforderung, die „christlichen Töchter" sollten Ihre Brüder und Verwandten für diesen Jünglingsverein gewinnen helfen'^^). Für seine Junglehrer rief er eine eigene Marianische Kongregation bei St. Augustin (Innere Stadt) ins Leben, wo wenig vorher P. Abel seine ein flußreiche Männerkongregation gegründet hatte^^), und leitete sie als Präses, die, wie das oben genannte Mit glied bezeugt, sein Herzenskind, seine einzige und größte Sorge war. „Hierin erwies er sich als tätiger Herold der christlich-deutschen Weltanschauung, des wahren österreichertums. Er bildete uns zu wahren Österreichern, zu selbstbewußten, echten Katho liken... Alles verwendete (opferte) er für die Aus62

RkJQdWJsaXNoZXIy NzM2NTQ=