Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Eu. F. Gn. dürfte angemessen finden, daß sie den bei der neuen Kapelle angestellten Priester in seinen Seelsorgsbestrebungen für die Beförderung der Reli giosität und Sittlichheit der Eisenbahnarbeiter nach aller Thunlichkeit unterstützen; zumahl ihnen durch die Errichtung einer geistlichen Expositur der größte Teil der seelischen Obliegenheiten gegen die Eisen bahnarbeiter abgenommen wird. Ich gebe mir die Ehre, Eu. F. Gn. um die Eröffnung Ihrer schätzbaren Schlußfassung zu ersuchen, damit sonach alle noch erforderlichen Anleitungen getroffen werden können"®). Dasselbe Ministerium bewilligte mit.gleichem Da tum dem Sektionsrat und Oberbaudirektor Dr. K. v. Ghega die für den Kapellen- und Pfarrhofbau vorge sehenen Mittel und beauftragte ihn mit dem schleuni gen Baubeginn, wobei am Plan der Priesterwohnung noch als kleine Änderung verlangt wurde, das Wohn zimmer in unmittelbare Kommunikation mitdem Vor haus zu setzen. Das detaillierte Bauelaborat mit Ein schluß des Kostenanschlages sei zu verfassen,die Aus führung könne durch den Unternehmer der bezügli chen Stücke oder, wenn dagegen Anstände obwalten sollten, in Regie geschehen ...'). Am 26. April erfolgte die zusagende AntwortErzbischofs Milde an den Minister: „Eure Exzellenz, ich habe die Ehre auf die verehrliche Note vom 3.4.d.J. Z. 1496/B meine bereitwilligste Mitwirkung zu der von Eu. Exz. beantragten Anstellung eines Seelsor gers auf dem Semmering für die dort befindlichen Arbeiter auszusprechen. Es ist ein nicht nur von mir, sondern fast allge mein anerkanntes Bedürfnis, daß diese Arbeiter auch für ihre höheren geistlichen Bedürfnisse die nothwendige Abhülfe finden, weil diese Menschen sonst nur zu leicht ausarten und der Sinn für ein höheres Leben in ihnen ersticket wird. Ich habe deswegen mit Freude aus Hochdero Schreiben ersehen, daß Hochdi'eselben nicht nur für die materiellen Bedürfnisse der Arbeter, sondern auch für die Erweckung und Belebung des geistlichen Sin nes zu sorgen bereitwillig sind. Obwohl es nicht leicht ist, einen Priester zu fin den, der der böhmischen Sprache vollkommen mächtig und zugleich in der italienischen wenigstens insoferne bewandert ist, daß er im Beichtstuhle und am Kran kenbette die Menschen zu belehren, zu warnen und zu trösten imstande ist, so war ich doch so glücklich, einen fähigen, eifrigen und verläßlichen Mann zu fin den, der sich entschließen will, dieses Amt für die Dauer der Baulichkeiten am Semmering zu überneh men. Derselbe heißt Johann Sedlak, ist 31 Jahre alt, seit acht Jahren Priester und befindet sich gegenwärtig als Kooperator zu Wiener Neustadt. Er hat bisher nicht nur einen untadelhaften Lebenswandel geführt, sondern sich durch Eifer, Bescheidenheit und liebevol les Benehmen die Zuneigung der Gläubigen und mein Vertrauen erworben. Ich bin daher bereitwillig, ihm die erforderliche Jurisdiktion mit der Weisung zu er teilen, sein Amt anzutreten, sobald der von Eu. Exz. beschlossene Bau der Kapelle und der Wohnung für den Curaten und den Meßner vollendet sesm wird, wovon ich mich in Kenntnis zu setzen bitte. Da mir der Entwurf des Bauplanes brevi manu mitgetheilet worden ist, so habe ich bereits mündlich den Wunsch ausgesprochen, daß der Eingang in die Wohnung des Curaten so angebracht werde, daß er und seine Dienstmagd abgesondert sind, weil dieses schon der Anstand vmd die nothwendige Vorsicht gegen argwöhnische oder verleumderische Gerüchte fordern. Diesen Wunsch hier zu wiederholen, halte ich für meine Pflicht. In Rücksicht der erforderlichen Paramente und Gerätschaften und der Wahl des Kapellendieners be auftrage ich unter Einem den gewählten Curaten J. S., sich bey der lobl. Bausektion des Hohen Ministeriums zu melden und die nothwendigen Aufschlüsse zu geben. Genehmigen Eu. Exz. die wiederholte Versicherung der ausgezeichneten Hochachtung, mit der ich die Ehre habe zu seyn Eu. Exz.(mit zittriger Hand kaum leser lich unterschrieben) E. Milde"®). Wie seine Anstellung vorbereitet und tatsächlith verwirklicht wurde, berichtet Johann Sedlak selbst in dem von ihm ausführlich abgefaßten und schön ge schriebenen „Ingedenkbuch", das mit den 46 Seiten die eigentliche Quelle für diese in damaliger Zeit einma lige Seelsorgsarbeit bietet?). Am 10. April schon war Pfarrer Carl Gößmann, Probst von Wiener Neustadt, in eigener Angelegenheit bei Fürsterzbischof Milde gewesen und soll dabei ge fragt worden sein, ob Kooperator J. S. geeignet wäre, die Seelsorge bei den am Semmering beschäftigten Eisenbahnarbeitem 201 versehen, böhmisch zu predigen und italienische Beichten „aufzunehmen". Wen der Be fragte aber hinsichtlich der Sprachen keinen genügen den Aufschluß zu geben vermochte, erhielt er den Auftrag, sobald wie möglich einen Bericht zu erstatten. So begab sich nun J. S. am 14. April zum Fürsterz bischof nach Wien und erklärte daselbst, daß er der böhmischen Sprache vollkommen, der italienischen hin gegen nur wenig kundig sei, daß er ferner bereit sei, gerne zu gehorchen,wenn erzur Ausübung dieser Seel sorge bestimmt werde. Freilich müsse er mit kindlicher Offenheit gestehen, daß es ihm schwer falle, Wiener Neustadt zu verlassen, worauf jedoch der wahrhaft väterliche Trost erfolgte: „Wir wissen nicht, wie lange es dauert; wenn es aber aus ist, werden Wir wieder väterlich für Sie sorgen". Darauf erfloß am 26. April folgender f. e. Auf trag an J. S.: „Da Ich Willens bin, Ihnen die Seelsor gestation am Semmering anzuvertrauen und es sich darum handelt, die nothwendigen Paramente und Geräthschaften anzuschaffen und einen Kirchendiener zu wählen, so wünsche Ich, daß Sie sobald wie möglich nach Wien kommen, weil das hohe Ministerium mit Ihnen Rücksprache pflegen will. Sie erhalten daher den Auftrag, am 29. oder 30. April bei mir zu erschei nen und vorläufig nachzudenken, was zur Besorgung des Gotteshauses und der Seelsorge unentbehrlich ist". Sedlak fuhr daher am 29. April nach Wien und erhielt nach der Audienz beim Fürsterzbischof zur Le galisierung folgendes Schriftstück: „Nachdem Sie sich zur Übernahme und Verwaltung der für die Eisen bahnarbeiter am Semmering zu errichtenden Seelsor gestation bereitwillig erkläret haben und Ich Sie in meiner Zuschrift vom 26. April dem hohen Ministerium hiefür namhaft gemacht habe, so erhalten Sie hiemit 39

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