Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

21, Das Brüderpaar Franz und Georg Rieder(Poysdorf) Dr. Franz Lo i d 1 I. Dr. Franz Seraph Rieder, Dompropst in Linz, erfolgreicher Kanonist und Publizist, erblickte mitten in der napoleonischen Not am 9. März 1806 in Poys dorf, V. U. M. B., als Sohn wohlhabender Wirtschaftsbesitzer^) das Licht der Welt. Studierte zuerst unter der Anleitung des tüchtigen und langjährigen, eben falls aus Poysdorf gebürtigen Pfarrers Joseph Püler^) und dann wie dieser einst im leichter erreichbaren Nikolsburg (heute CSSR.) die Humaniora und schließ lich mit „eminentem" Erfolg Theologie^)in Wien,wo er am 11. November 1828 im Stephansdom zum Priester der Erzdiözese geweiht wurde. Diente vom Dezember 1828 bis März 1841 in der Seelsorge als Kooperator in (Ober-)Hollabrunn, Döb ling, an St. Johann Nep. in der Praterstraße (Wien II.) und „bei den neun Chören der Engel am Hof" (Wien !.)■*). Benützte die Zeit auch zur theologischen Weiter bildung und wurde am 8. Juni 1833 an der Wiener Universität zum Doktor der Hl. Theologie promoviert. Seit 5 Dezember ihr Mitglied, supplierte Rieder von Mitte März 1835 bis anfangs März 1836 als Katechet an der k. k. Normal-Hauptschule bei St. Anna Wien I.), wo er sich besondere Sympathien erwart). Noch immer Pfarr-Kooperator „Am Hof", berief ihn am 6. Dezem ber 1838 das Vertrauen der theologischen Fakultät ins Amt eines Dekans. Am 12. November 1840 wählte ihn das Universitäts-Konsistorium zum Domkapitular von Linz, wo er schon am 16. März des folgenden Jahres investiert imd zugleich zum Konsistorialrat ernannt wurde. Dies bedeutete für Dr. Rieder den Wendepunkt seines Lebens, da er hiemit aus dem Dienste der Wie ner Erzdiözese ausschied und für Lebensdauer in die Suffragan-Ddözese Linz übertrat, um sich hier mit Eifer höheren Aufgaben zu widmen und die Stufen der kirchlichen Ämter und Würden emporzusteigen. War aber mit Wien®) vor allem durch seinen jüngeren Bruder verbunden, der im Seelsorgsdienst der Erz diözese verblieb und — wie unt^ folgt — vier Jahr zehnte „auf der Landstraße" (Wien III.), erst der Kuratie „St Margareta unter den Weißgärbem" und dann der Pfarre Maria Geburt am Rennweg vorstand. Schon ein paar Monate nach sedner Übersiedlung nach Linz im Mai 1841 wurde Rieder von dem um den Priestemachwuchs sehr besorgten Bischof Gregorius Thomas Ziegler®), einem echten Hofbauer-Jünger"^), als Regens des Alumnates eingesetzt, um die Theologen im kirchlichen Geist zu bilden. Der Bischof glaubte ihm sein besonderes Vertrauen schenken zu dürfen, weil er bei gründlich theologdschem Wissen den nötigen Emst mit Liebe vereinte®). Im September desselben Jahres wurde er überdies mit ah. Entschließung zum Direktor der theologischen Studien am k. k. Lyzeum daselbst bestellt. Beide Ämter verwaltete er mit Gewissen haftigkeit und Erfolg bis zum April 1845, um dann für die nächsten fünf Jahre in gl^cherweise als DiözesanSchulen-Oberaufseher zu wirken. Um sich auf dem laufenden zu halten und Anregungen zu holen, be suchte er in diesen Jahren geistliche Bildungsanstalten, Universitäten und Schulen in österreichischen Landen, in Süd- und Norddeutsdiland, sogar in der Schweiz, in Frankreich und in Belgien. Im Sturmjahr 1848 entsandte ihn der Klerus des Mühlviertels als seinen Vertreter in den Linzer Land tag, wo er zum zweiten Vize-Präsident^, zum Aus schußmitglied und Referenten für das Volksschulwesen gewählt wurde. Damals begann Rieder seine zwei Jahrzehnte währende eifervoll betriebene Schriftstellerei mit seinem dreibändigen Hauptwerk und einer Reihe von zeitlich aktuellen und kanonistisch-fachlichen Artikeln in einigen Zeitschriften, vor allem aber in der „Linzer theologisch-praktischen Quartal schrift", die dadurch die bis dahin höchste Abonnen tenzahl gewann, (sh. unten die Publikations-Zusam menstellung). Mit ah. Entschließung im Februar 1849 zum Domscholaster ernannt, wurde er von seinem durch Er blindung verhinderten Ordinarius in Stellvertretung zur Bischofsversammlung nach Wien entsandt®), um hier vom 30. April bis 17. Juni im f. e. Palais in 60 Sitzungen über die Ehe, den Religions-, Schul- imd Studienfond, das Pfründen- und Gotteshausvermö gen, den Unterricht, die kirchl. Verwaltung, geistlichen Ämter und Gottesdienst, das Klosterwesen und die geist liche Gerichtsbarkeit zu beraten imd diese Materie in sieben Eingaben ans Innenministerium zu formulie ren^®). Davon waren dann auch manche seiner Auf sätze inspiriert, nahm doch Rieder pflichtbewußt leb haften Anteil an den Verhandlungen und wurde er in zwei Ausschüsse gewählt und zum Referenten fürs Klosterwesen b^timmt. Vom Juni 1850 bis Jänner 1851 stand Rieder Bischof Ziegler als Generalvikar zur Seite und nach dessen Tod am 15. April 1852 bis zur Inthronisation des neuen Bischofs Franz Joseph Rüdigier am 12. Juni 1853 amtete er als Kapitelvikar „mit Humanität, Ge schäftskenntnis und Klugheit"^'-). Brachte ihm die ah. Entschließung vom April 1854 das Ritterkreuz des Franz Josefs-Ordens ein, so derselbe Gunsterweis im Jahr darauf, die Vorrückung im Domkapitel zum Dom propst. Weitere Betreuungen mit verantwortungsvollen neueinzurichtenden Ämtern folgten. So wurde er Prä ses des eben geschaffenen geistlichen Ehegerichts für Linz, in die Beratun^kommission über Abfassung der Landgöneinde-Ordnung für das Erzherzogtum Öster reich ob der Enns berufen und zum Referenten über den ersten Teil des Gemeindegesetzes gewählt u. n. a. Seiner ganz anders gearteten Veranlagung, Erziehung imd Einstellung nach blieb Rieder freilich an den Konflikten, die im Konkordatssturm und infolge der interkonfessionellen Staatsgrundgesetze unter dem un beugsamen und energischen Kirchenstreiter Bischof Rudigier 1868 ausbrachen, unbeteiligt Lange schwer an Gicht leidend, doch ungebroche nen Geistes bis zuletzt erlag Prälat Dr. Rieder am 3. April 1873 einem typhösen Fieber, nachdem er sein nicht unbedeutendes Vermögen auf verschiedene wohl tätige Zwecke testamentarisch aufgeteilte'^) und vor allem zwei Stiftungen geschaffen hatte: die „DiözesanRieder-Armenstiftung" mit einem Kapital von 10.000 fl. mit vier jährlichen Stiftplätzen und den „Dompropst Rieder-Unterstützungsfonds für hilfsbedürftige Prie ster", der sogar der Universalerbe wurde. 43

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