Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

nährenden Pfarrkinder einen empfindlichen oder fast ganzen Verdienstentgang nach sich zogen. In diesem Notwinter rief ihn nun Fürsterzbischof Milde durch Sekretariatsschreiben zu sich und übergab ihm „ein wahrhaft fürstl. Almosen, um der Not zu steuern: 200 F. C.. M., d. i. 200 Gulden in Silbermünzen." „Ich habe bisher nur im Stillen zu beten befohlen für die lange Erhaltung des ungenannten Wohltäters", schreibt er, „wissend, daß Se. Fürstl. Gnaden in und außer Wien so viel Gutes unter der Hand üben. Nicht einmal dessen Sekretär scheint davon zu wis sen und hier trifft ein: die Linke darf nicht wissen, was die Rechte tut. Ich mußte Tränen iweinen, denn keine Bitte ist von hieraus oder von sonst jemandem, wie ich glaube, vorangegangen. Nachfolger! Wenn du dieses liest, so denke nicht, daß ich schmeicheln wollte, nein, es ist mir ein- Bedürfnis, eine hochher zige Tat nicht gänzlicher Vergessenheit auf Erden zu überliefern." Und genau so vermerkte er auch andere Wohltaten und Spenden, die er für seine Leute zur Linderung einer ihrer Notlagen erhielt, wie anläßlich der bischöflichen Visitation 1846, und als im Novem ber 1849 sieben Häuser samt Wirtschaftsgebäuden ab brannten, da auf sein Ansuchen hin die KaiserinMutter Erzherzogin Sophie 140 fl. 'C. M. überweisen ließ. Nicht die leiseste Erwähnung jedoch geschieht von seiner tausendfältigen Mildtätigkeit und Hilfe leistung während seiner elfjährigen Hirtenwirksam keit in Neudorf. Wiederum aber machte sich Sebastian Brunner zum dankenden Sprecher, da er nach seiner Art be merkte, „die Engel der Liebe hätten Kriesches Wohl taten mit goldenen Lettern ins Buch des Gerichtes eingeschrieben, und das sei mehr wert als Marmor oder Granit, als eine erlogene Grahschrift — und stark vergoldete Buchstaben", und im März 1855 dem obigen Nachruf noch folgende, „den armen edlen Pfarrer ciiarakterisierende Tatsache" zum Besten gab: Durch seine großartige Wohltätigkeit verarmt, zu dem im Besitz einer Pfründe mit sehr dünnem Ein kommen, mußte Kriesche anläßlich der e. b. Deka natsvisitation ein paar hundert Gulden „zu leihen nehmen", die ihm sein Freund Advokat Kafka auch mit Freuden vorstreckte. Der nahm jedoch die ihm dann vom "Schuldner testamentarisch zur Schuldab tragung vermachten Silbergeräte nicht an, sondern überließ sie „der braven und in seltener Weise un eigennützigen Haushälterin Kriesches, die in Groß mut und Uneigennützigkeit mit ihrem Herrn in einem derartigen Wettstreit gestanden war, daß sie ohne dessen Wissen selbst die kleinen Geschenke von Gä sten, die sie bei außerordentlichen Gelegenheiten be kam, für den Bedarf der Küche verwendete." — Als nun das Inventarium des Pfarrers aufgenommen wurde, was. wie sich denken läßt, ärmlich genug ausfiel, kamen von seite der fungierenden Beamten einige nicht schlecht gemeinte, aber gewiß bei die ser Gelegenheit nicht gut angebrachte Witze über den schadhaften zerrissenen Zustand hinterlassener Kleidungsstücke. Advokat Kafka, der als Testaments exekutor zugegen war, erklärte hierauf; ..Meine Herren! Meiner Meinung nach sind die alten wert losen Kleider des Pfarrers kein Stoff zum Lachen; ich möchte sie eher als die Reliquien eines Heiligen angesehen wissen; diese Kleider sind ein Zeugnis seiner edlen Wohltätigkeit; er hat sich immer selber vergessen, wenn es galt, den Notleidenden zu helfen. Diese Kleider sind das schönste Zeugnis seiner Ver dienste um die Armen der Gemeinde; ich meine, man muß das Andenken dieses Mannes eben auch dieser Kleider wegen mehr achten, als wenn er ein Packet Obligationen hinterlassen hätte''." In seiner Pfarrgemeinde Wiener Neudorf ist auch bis heute dieser edle Seelsorger nicht vergessen, wie das gut gepflegte Grab im schön angelegten Gottes acker rechts vom Friedhofskreuz (Gruppe B) beweist, das die passende Inschrift trägt: „Von seinen Almosen wird die ganze Gemeinde der Heiligen reden" (Ekkl. 31, 11). Kriesche war am 19. November 1854 im 59. Jahre gestorben. Von seinem erbaulichen Versehen berichtet die Chronik'-): „Am 17. Nov. wurde er vom benachbarten Mödlinger Pfarrer im Beisein des Kooperators und zweier Lazaristen, sowie des Gemeinde vorstehers und der Schulkinder versehen. Er empfing die hl. Sakramente mit großem Verlangen und wahr haft christlicher Andacht für die Umstehenden'')." Sein Schützling und Freund Gruscha stand damals als Religionsprofessor am Theresianum mitten in der Tätigkeit für den Gesellenverein und vor seiner Berufung zum Domprediger von St. Stephan. Anmerkungen u. Belege: ') Wien, Austria 1890, S. 7. — ') Wr. Diözbl. 1911 (Nr. 16), S. 141. — •'') .Bi schof .Ferd., Kard. Gruscha u. die soziale Frage. W. Diss. 1959, S. 2. — ') Beitrag d. Verfassers über Gru scha für den vorbereiteten Bd. XVI: Große Österrei cher (Neue österr. Biographie), Amalthea-Verlag Zü rich-Wien-Leipzig. — ■') Erzb. Ord. archiv, PersonalTabelle II 469; Personalstand der Erzd. W.; Sebastian Brunner, Woher? Wohin? in gesammelte Erzählungen u. poet. Schriften X. Bd. 2. T., 2. Aufl., S. 244. Gibt aber unrichtig als Kaplanstelle Mödling u. Petersdorf an. — ") Posch Otto, A. J. Gruscha u. der österr. Ka tholizismus (1620/1911), W. Diss. 1947, S. 9, Anm. :i.\ Bischof F., a. a. O., S. 2 f — ") Eoa Loc. Bi/Gruscha; zit. b. Bischof F., a. a. O. S. 2 f. — Ebd. u. die The sen S. 48 f. — ö) Bezeichnend, wie damals Anton Gün ther, der Begründer der sog. Wr. theol. Schule u. des Güntherianismus weithin seinen Einfluß ausübte, da er irrtümlich in der Sprache des dtsch. Idealismus die kathol. Mysterien im menschl. Geiste zu rekonstruie ren suchte, bis er scharf angegriffen nach mehrjähri-« gen Verhandlungen am 8. 1. 1857 indiziert werden mußte. Starb am 24. 2. 1863 zu Wien im Schoß der Kirche. Lex. f. Th. u. K. (Buchberger) 1932 IV 748 f. — '®) Gedruckt zu Wien 1851 bei Pichler's Witwe, 24 S. — ") Kriesche hatte einst als außerordentliche Ge genstände die alten Sprachen (Hebräisch, Aramäisch und Arabisch) belegt und mit eminenter absolviert und sprach auch Französisch. Eoa, Pex*sonal-Tab. II 469. — ") Bischof F., a. a. O., S. 3. — Auch Gruscha bestand die Prüfungen in den Orient. Sprachen mit eminenter. Ebd. S. 252. — '■') 1863/71. - Seb. Brunner, a. a. O., S. 260. — ^^) Wurde 1823 begonnen; I fol. 10; Kr. verzeichnete darin fol. 6/9 nur Fassio nen, Stiftsbriefe, das Jubiläumsjahr, Visitationen, kleinere Renovierungen der Kirche u. Altäre u. dgl. — ■''') Seb. Brunner, a. a. O., S. 260/64. — '") Denk würdigkeiten der Pfarre Neudorf I S. 162 a — 187. — '") Von Kard. Migazzi samt Pfarrhof erbaut und am 4. 5. 1780 konsekriert, seit 1704 Pfarrkirche. — "') ÖsterEncyklop. Wien (1836) IV. Bd. S. 39. — '") Schreibt, daß er im Pfarrgarten, wo er ungefähr li-a Metzen Kartoffeln gelegt habe, wegen des widerlichen Ge ruchs nicht habe spazieren gehen können. — '''i Seb. Brunner, a. a. O., S. 264/66. — ''^) Denkwürdigkeiten d. Pfr. Neudorf S. 186 f. 47

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