Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

beiströmen. Immer fühlte sich unser Volk zur Mutter Anna hingezogen, und wir sollten alle Anstrengungen machen, um die alten schönen Bräuche aufleben zu las sen. (Für gewöhnlich ist die Siedlungstür®), wie gesagt, abgeschlossen. Am St.-Anna-Nachmittag wird sie der kommenden Festgäste wegen geöffnet.) 13. Das Josefskirchlein in der Dirnelwiese An der Grenze gegen Langenzersdorf liegt an der Prager Straße die Dirnelwiese, in der brave Männer nach einer Gottesdienststätte riefen. Der Kirchenbaumann hörte den Ruf deshalb besonders gern, weil die Rufer sich bald auch als tüchtige, handanlegende Helfer beim Bau erwiesen. In kurzer Bauzeit entstand ein nettes Holzkirchlein, das sich sehen lassen konnte. Nach wenigen Jahren mußte es vergrößert werden^®). Ein gutes Zeichen für den christlichen Sinn der dortigen Siedler. Diese zeichnen sich löblicherweise auch durch große Kameradschaftlichkeit und Frohsinn aus. Es möge daher die Dirnelwiese leben, die fleißigen „Dirnelwieser sowie -wieserinnen" daneben. Und auch das möge in diesem Bericht Erwähnung finden: Beim Wirt der Siedlung fand sich alt und jung nach dem Erweiterungsbau fröhlich zu einem sehr gemütlichen Festessen ein. Es heißt ja allgemein (solche Weisheitssprüche dürfen auch beim Kirchen bauen nicht in Vergessenheit geraten und nicht außer Übung kommen): „Essen und Trinken hält Leib und Beel' z'samm!" Es wird nicht lange dauern,dann werden die Män ner der Dirnelwiese wie ein Mann aufstehen und nach einer großen Kirche aus Stein rufen und die Frauen werden mitrufen und das gibt dann aus. 14. Die Kirche am Baumgartner Spitz Zu den gigantischen Wiener Wohnhausbauten zählt der Breitnerhof mit etwa 5000 Bewohnern. Sooft ich dort mit meinem Roller vorbeisauste, gab es mir einen Stich ins Herz und eine Stimme sagte: Hier muß was gebaut werden. 5000 Menschen wohnen da drinnen. Zur Pfarrkirche von Baumgarten sind gut 20 Minuten Gehzeit — zuviel für ältere Leute, die jungen bewähren sich auch nicht als Schnell- und Dauerläufer, wenn man sie nicht zu Wiettikämpfen, sondern zu Gott^diensten ruft. So reifte der Plan in mir, den, wie alle Kirchen baupläne, das verdiente Oberhaupt des Kirchenbauvereines, hochw. Herr Prälat Wagner, begutachtete, ein religiöses Zentrum gegenüber dem Riesenwohnbau der Gemeinde zu schaffen. In einem Haus^^) habe ich einen großen Raum mit Küche gemietet und schon ging es an die Arbeit. Per sönlich habe ich, um keine Zeit zu verlieren, viele Stunden da draußen mit angestrengter Arbeit ver bracht. „Was machen Sie da draußen?", fragte mich einmal bei einer vom Erzbischof einberufenen Sitzung mein höchster Vorgesetzter. Ich antwortete: „Etwas, wodurch wöchentlich einige hundert Todsünden ver hindert werden können." Am Herz-Jesu-Sonntag des Jahres 1957 hat dieser mein höchster Vorgesetzter im Baufach, Herr Erzbischof Dr. Jachym, in Abendstunden die schlichte Gottesdienststäijte geweiht. Die erste Zeit konnte ich es ein teilen, selbst den Gottesdienst zu halten. Es war ein „glückseliges Verweilen unter den wirklich Opferberei ten", wie ich unter dem 11. Juli 1957 im Tagebuch lese, „und seelisch aufgeschlossenen sowie dankbar er gebenen Katholiken". Seit Jahren schon steht dort eine neue Kraftstation der Seelen, ein großer moderner Kirchenbau. 15. Die Soldatenkirche in Götzendorf Eines Tages suchte mich in der Kirchenbaukanzlei Herr Militärseelsorger Gruber auf, um die Erbauung einer Soldatenkirche für seine Seelsorgskinder in Göt zendorf zu besprechen. Der hochwürdigste Herr Bau bischof war mit der Durchführung eines Soldatenkir chenbaues einverstanden. Wir besichtigten daher das Terrain von Götzendorf, und es wurde sofort mit dem Bau einer Gottesdienststätte begonnen. Soviel ich mich noch erinnere, war Hauptmann Hoyos^^) der Bauleiter des von meinem „Privatingenieur",Zimmermann Früh ling, Aspern, in Angriff genommenen Kirchenbaues. 16. Eine zweite Soldatenkirche in Großmittel Ziemlich bald darauf hatte der Kirchenbauverein eine zweite Soldatenkirche, und zwar in Großmittel, errichtet. Wie in Götzendorf, waren es auch hier fast ausschließlich die ihren Militärdienst leistenden jungen Soldaten, die als Bauleute im Einsatz standen und mit sichtlicher Freude statt Marschierens Steine klopften und Bretter sägten. Es sind jetzt fast ein Dutzend Jahre verstrichen, seit die beiden Kirchen stehen. Beide Gotteshäuser brauchen sich über keinen schlechten Besuch zu be klagen, wenn der Militärpfarrer die Mannschaft zum Gebet in die einfachen, aber recht schön gewordenen Gotteshäuser einlädt. 17. Die Fatimakirche am Flötzersteig In des Kirchenbaumannes Tagebuchnotiz vom 13. August 1958 stoße ich zum ersten Mal auf den Be richt über die für die Siedlung am Flötzersteig ge plante Kirche, die zu meinen Lieblingsgottesdienst stätten avancierte. Zuerst dachte ich an den Baugrund eines Privatmannes, der sein Siedlungshaus bzw. ein Stüch seines Gartens an der Gusterergasse verkaufen wollte. Weil dem bereits im Ruhestand lebenden Herrn das mit dem Betrieb eines Kirchleins notwendig ver bundene Glockengeläute unsympatisch war, ließ er mir am anderen Tag sagen, auf einen Grundstückverkauf lasse er sich nicht ein, das „Gebimmel einer Glocke" könne er nicht brauchen. Daraufhin verhandelte ich mit der Besitzerin des Nachbargrundes, die den sehr wohl klingenden Namen Beatrice trug, einen Namen, der ein auch nur ein bißchen poetisch veranlagtes ehemali ges Studenten- oder Dichterherz heißer schlagen ließ. In der denkbar kürzesten Zeit prangte der traum schöne Name der Besitzerin dieses Beatrice-Grundes auf einem der Kaufverträge in der Lade des Kirchenbauvereines. Das ebenso heilige wie fröhliche Spiel eines Not kirchenbaues hub wieder an, es folgten abermals an gestrengte aber schöne Monate der Bauarbeit. Mit dem Asperner „Privatarchitekten", Zimmermeister Frühling, wurde noch im Sommer 1958 der Kirchenbau begonnen. Soldaten von Götzendorf hoben unter dem Titel der Gegenleistung den Grund aus.Im Herbst wurden Holz gerippe und Blechdach aufgestellt, im Winter bei viel fach sibirischer Kälte ist die Innenarbeit in Angriff genommen und vollendet worden. „So will ich aufs neue", steht unter dem 13. August im Tagebuch des glücklichen geistlichen ..Barabers" schwarz auf weiß geschrieben, weiters „ich habe mein Herz nicht in Hei delberg verloren, sondern habe mir draußen am Flötzersteig ein Stück Himmel erkoren". Wieviele Jahre sind es heute her, seitdem am Flöt zersteig ein liebes Kirchlein steht, in dem an den Sonn tagen regelmäßig um 10 Uhr vom Kirchenbaumann Messe gehalten wird? Nach einer Fahrt in meine Heimat ging es wieder zurück in mein geliebtes Wien, an den mir von der Güte Gottes zugeteilten, kein Blut, sondern nur etwas Schweiß kostenden Frontabschnitt: „Wohl erschien mir", so lese ich in meinen Aufzeichnungen unter dem 6. Oktober, „diese Front teilweise etwas eingedrückt, doch die himmlische Feldmarschallin Maria wird uns helfen, die Front wieder gerade zu rücken und sie zu halten zum Nutz und Frommen von ganz Europa, denn es ist wirklich so, wie ich damals immer zu be tonen pflegte, wenn ich um den Beweggrund meines Eifers im Kirchenbau befragt wurde: „In Wien werden die Würfel fallen über das Christ-

RkJQdWJsaXNoZXIy NzM2NTQ=