Beiträge zur Wiener Diözesangesdiithte BE I LAQE DES WI ENER DIÖZESANBLATTES Nr.11^(Novembcr 1975) 113. Jahrgang Nr.6 Wien,am 1. November 1975 16.Jahrgang Inhalt: 47. Verfolgung und Widerstand der katholischen Kirche in Wien (1938—1945). — 48. Bitte um Unter stützung der „Kommission Wien 1945". — 49. P. Adolf Innerkofler (1872—1942). Priester — Volks prediger — Schriftsteller. — 50. Weltgeistliche und Ordensleute aus Oö. — 51. Staat und Kirche 1917 (Ein Beispiel). — 52. Das Wiener Notkirchenbauwerk. 47. Verfolgung und Widerstand der katholischen Kirche in Wien (1958—1945) Dr. Franz Loidl Wie der wegen seines Widerstandes mehrere Jahre im KZ inhaftierte und weithin bekannte Münchner Weihbischof Dr. Johannes Neuhäusler (gestorben am 14. Dezember 1973 im Alter von 85 Jahren) in seinem umfassenden Werk „Kreuz und Hakenkreuz" gleich nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches im Jahre 1946 eine Dokumentation über Verfolgung und Widerstand der katholischen Kirche unter dem Natio nalsozialismus herausbrachte, so veröffentlichte im Jahr darauf der nicht weniger prominente Antinationalsozialist und zu mehrjähriger Haft verurteilte Prä lat Jakob Fried (gestorben am 18. Mai 1967 im Alter von 83 Jahren) sein Buch „Nationalsozialismus und katholische Kirche in Österreich", worin er ebenfalls eindrucksvolle Berichte und Dokumente über Unter drückung und Gegenwehr der katholischen Kirche vor zulegen vermochte. Beides sind seither grundlegende Bezeugungen für die katholische Kirche in der NS-Ära geblieben^). Prälat Jakob Fried, Generaldirektor des Volksbundes der Katholiken Österreichs, hatte als österreichischer Vertreter an entscheidenden Katholi kentagen während der Weimarer Republik (Freiburg im Breisgau, Münster, Nürnberg und Essen) teilgenom men und dabei verläßliche Informationen und eigene Beobachtungen über den aufstrebenden und sich immer radikaler und Christentums- und kirchenfeindlich ge bärdenden Nationalsozialismus sammeln können. Auch als vertrautester Mitarbeiter des seit 1932 amtierenden Wiener Erzbischofs Dr. Theodor Innitzer war er mit dieser Problematik schon früh konfrontiert. Frieds Bucli folgten zahlreiche kleinere und grö ßere Darstellungen in Zeitungen, Zeitschriften, Bro schüren und Büchern. Unter anderen seien die Arbei ten von Chefredakteur Dr. Friedrich Funder, Univ.- Prof. Dr. Ludwig Jedlicka, Univ.-Prof. Dr. Karl Stadler, Univ.-Prof. Dr. Erika Weinzierl und Univ.-Prof. Prälat Dr. Franz Loidl genannt^). Da sich inzwischen immer mehr Material in Archiven, vor allem im Dokumenta tionsarchiv des österreichischen Widerstandes (Wien I, Altes Rathaus), ansammelte, auch andere Archive, wie das Allgemeine Verwaltungsarchiv und das Wiener Diözesanarchiv für die Forschung aufgeschlossen wur den und der nötige Zeitabstand erreicht wurde, sei nun eine wissenschaftliche, die bisherigen Berichte unter bauende Dokumentation vorgelegt, vorläufig auf Wien (damals Groß-Wien) beschränkt. Angesichts der Fülle *)Übersicht und Auszug aus dem dreibändigen Stan dardwerk: Widerstand und Verfolgung 1934—1945. Eine Dokumentation, österreichischer Bundesverlag und Jugend und Volk Verlagsanstalt, beide Wien, 1975, Band III, S. 5—80. des vorhandenen Materials und um Wiederholungen und bereits Bekanntes möglichst auszuschließen, mußte eine Auswahl getroffen und eine gewisse Gruppierung und Raffung des Stoffes vorgenommen werden. Dabei darf nicht übersehen werden, daß noch wesentlich mehr Material zu Gebote gestanden wäre, wenn es nicht den unzähligen Hausdurchsuchungen und Be schlagnahmeaktionen zum Opfer gefallen wäre. Angriff von selten des Nationalsozialismus und Abwehr durch die katholische Kirche begannen in • Österreich ja bereits anfangs der dreißiger Jahre und nicht erst mit dem März 1938. An zwei leider nicht voll genommene Warnungen vor dem Nationalsozialis mus von höchster kirclilicher Seite sei erinnert: an den Hirtenbrief des Linzer Bischofs Dr. Johannes Maria GföUner vom Jänner 1933 und die Stellungnahme des Erzbischofs Innitzer anläßlich der Hauptversammlung der katholischen Männervereine in den Wiener Sofien sälen (Wien III) im April 1933. Diesen folgten zahl reiche weitere mutige antinationalsozialistische Stel lungnahmen und Maßnahmen in der Zeit 1934 bis 19383). -^i^g (Jas Deutsche Reichskonkordat des Jahres 1933, erwiesen sich auch die nach der Besetzung Öster reichs und vor der Volksabstimmung vom ID. April 1938 gegebenen Versprechungen Hitlers und seines Wie ner Gauleiters Joseph Bürckel an die katholische Kir che als raffinierte Täuschungs- und Ausnützungsmanöver zur Uberwindung der katholischen Kirche und Erreichung der totalitären nationalsozialistischen Ziele. Die sich einige Monate hinziehenden Verhand lungen über einen Modus vivendi zwischen den Machthabern und der Kirche scheiterten an dem Unwillen der Nationalsozialisten, sich an Versprechungen und Verträge zu halten. Allzubald fand sich das seit jeher vorhandene Mißtrauen katholischer Persönlichkeiten gegenüber dem Punkt 24 des NSDAP-Programms („Die Partei als solche steht auf dem Standpunkt eines positiven Christentums, ohne sich konfessionell zu bin den") bitter bestätigt. Einerseits wurde das österrei chische Konkordat vom Mai 1934 nicht anerkannt, andererseits die Gültigkeit des deutschen Konkordates für die „Ostmark" bestritten. Die katholische Kirche österreidis sollte ohne Schutz und Redit dastehen''). Prälat Fried hat die vielfältigen Formen der Ver folgung der katholischen Kirche im einzelnen dargelegt^), doch nicht immer war es infolge der an geführten Umstände möglich, dazu die entsprechenden Dokumente zu finden. Die Hauptstoßrichtung der NSMaßnahmen gegen die Kirche richtete sich gegen das Vermögen der Kirche, uas als Quelle für Bereicherun gen des Staates, der Partei und oft auch einzelner Nationalsozialisten betrachtet wurde, und gegen das katholische Erziehungswesen, das den totalitären Be strebungen zur Errichtung eines NS-Erziehungssystems im Wege stand. Kirchen, vor allem aber Kapellen, Klö ster, geistliche Institute, kirchliche und katholische Ver eine samt ihrem Vermögen wurden aufgelöst bzw. ein gezogen, die katholischen Scnulen, Kindergärten usw. aufgehoben und der Religionsunterricht in den Schu len und die Seelsorge schwer behindert. Die 1939 ein41
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