Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

hatte erkennen lassen, daß Darnaut „die Lehrkanzel nicht leicht länger werde versehen können", war der Supplent Ruttenstock von der Studienhofkommission zur Anmeldung aufgefordert worden. Vom Kaiser war u. a. mit 17. Nov. 1811 die eheste Erstattung des Vor schlages abverlangt worden, dem die Dienststelle am 29, Nov. nachkam-"). Darauf wurde der genannte Kan didat mit der prov. Versehung der Lehrkanzel betraut und tatsächlich mit Sept. 1813 der Nachfolger und lehrte die KG bis zu seiner Erwählung zum Propst des Augustiner Chorherrnstiftes Klosterneuburg i. J.1830-'). Die Versicherung des aufrichtigen Wohlwollens durch den Kaiser war keine Phrase, denn D. blieb wei terhin als Hofkaplan im Hofdienst und bewahrte sich bis zu seinem Tode am 30. Jänner 1821 (zu Wien)-") dessen uneingeschränktes Vertrauen. Als dem Kaiser das Hinscheiden gemeldet wurde, nahm er den Bericht mit dem Bemerken zur Kenntnis: „Ich bedaure den Hintritt dieses räfchtschaffenen Priesters"«»). War D. auch nicht der Nä'clfeolger des am 3. August 1809 ver storbenen Hof- und Burgpfarrers Langenau geworden, wie nach dessen Testament zu erwarten gewesen""),so war er Beichtvater des Kaisers»'). Begleiter des Ho fes"-) und Religionslehrer von Mitgliedern des Herr- .scherhauses gewesen, so u. a. des Herzogs v. Reich stadt (bekanntlich Napoleons und Maria Louisens Sohn, der seit 1814 in Österreich weilte, im Juli 1832 aber bereits starb)""). Nun zu seinen literarischen Arbeiten. Als Mitar beiter von Jakob Frints Theologischer Zeitschrift"») lieferte er hiezu an Beiträgen: „Entwurf einer Religi ons-Geschichte des alten Bundes oder Darstellung der göttlichen Voranstalten zur Einführung des Christen thums für die Schüler der ersten Humanitäts-Klas sen","") wozu er einige Jahre vorher bereits eine zwei seitige Skizze mit Angabe der Hauptmomente heraus gebracht hatte"«). Dann: „Über den Begriff und Wert) der christlichen Religions- und Kirchengeschichte, Eine Aufmuntenang zum Studium derselben""'), worü ber wohl eine Fortsetzung angekündigt wurde, die ihm aber wegen seiner Krankheit nicht mehr beschieden sein sollte"")- Als selbständige Publikationen liegen vor: „Katholisches Lehr- und Gebethbuch zum vorzüglichen Gebrauche für die Jugend,"") und „Leben der hl. Eli sabeth, Landgräfin von Thüringen"*«). Besondere Verdienste erwarb sich Darnaut jedoch um die kirchliche Topographie von Österreich und da mit auch um die Wiener Döizesangeschichte. „Längst empfand man das noch niemals gehörig berücksichtigte Bedürfnis, endlich einmal ernst und rasch Hand anzu legen an die Rettung und Sammlung von Materialien, wie an die unerläßlichen Vorarbeiten zu einer pragn^atischen Kirchengeschichte Österreichs"»'); auch daß man bisher noch keine Geschichte der Pfarren und De kanate besaß, die sich immer mehr als ein unabweisliches Bedürfnis herausstellte, da Marian Friedlers „Monasteriologie" wohl ein ähnliches Ziel verfolgte, aber nur die Bistümer und Klöster und selbst diese ziemlich mangelhaft behandelte»-). Deshalb trug sich D. „seit geraumer Zeit mit dem Gedanken, eine kirchliche Topo graphie Österreichs liefern zu können. Ausführlich schildert er in der Vorrede zu diesem Werk (sh. unten g I—xrV) seine Bemühungen wie überhaupt den lan gen Weg, „bis sein Vorsatz nach manchem Kampf alle Schwierigkeiten besiegte". Als erstem teilte er seinen Plan dem n. ö. Sekretär Aloys v. Bergenstamm — ihm ob der vielen Schriften und reichen Sammlungen zur Österr. Geschichte bekannt — mit, der ihn freudig mit zwei „patriotisch gesinnten" Männern als Förderern, dem k. k. wirkl. Regierungsrat Joseph Freiherrn v. Heinke und dem ehemaligen Stiftsbibliothekar von Ge ras Hieronymus Alram zusammenführte. Reisen nach Braunau a. Inn und nach Schottwien am Semmering halfen ihm, „sehr achtenswerte" Geistliche zur Mitar beit anzuregen, worauf er sich an die Ordinariate von Wien, St. Pölten und Linz wandte»"), um von da ein Umlaufschreiben zu erbitten, das die Pfarrer — ohne deren Mitwirkung solch ein wichtiges Werk nicht zu Stande kommen könne — zur Bearbeitung kleiner Pfarrbeschreibungen einlud. Bin gedrucktes Schema, das er beilegte, gab die Hauptmomente an, worauf bei den Arbeiten vor allem Rücksicht zu nehmen war. Des gleichen wurden die Stifte und Klöster Österreichs uhi ihre Geschichten und um die der ihnen inkorporierten Pfarrein ersucht. Selbstverständlich gelang es ihm,sel ber zu wichtigsten Archiven Zutritt zu erhalten, wie zum Wiener Consistorialarchiv — das ohne allen Ver gleich die reichhaltigste Quelle für die Pfarrbeschrei bungen enthält — zum daranstoßenden, ausgiebige Ausbeute liefernden Passauerarchiv, zum Hofkammer archiv etc. Die richtige Erkenntnis, daß dies nicht die Arbeit eines Menschen sein könne, und „seine schwächlichen Gesundheitsumstände", die ihm wenig Hoffnung zur Ausdauer gäben, weiters die Wichtigkeit seines Unter nehmens „nebst der Hochachtung, die er seinen Lesern schuldig sei", veranlaßten ihn, wie er eigens hervor hebt, an einen literarischen Verein zu denken, der sei nen Plan verfolge und dessen Ausführung verbürge, ..wenn schon der Tod ihn hindern sollte, die Vollendung zu bewerkstelligen". So schuf D. einen „weiteren" Ver ein für die zahlreichen ernsthaften und oefähigten Mit arbeiter und einen „engeren" mit einem Dreierausschuß, dem der schon genannte v. Bergenstamm und der Klosterneuburger Chorherr Aloys Schützenberger angehör ten, die mit ihm in der Haupt- und Residenzstadt einen Centralpunct für die Besorgung der Redaktion und des Druckes bildeten. Gleich „im Eingang" dieses Werkes wurde ausge führt, was die Leser erwarten und was sie nicht erwar ten durften. So würden keinesfalls Urkunden — ausge nommen ganz wenige ungedruckte — vorgelegt, son dern nur die Resultate daraus, d. h. „das Interessan teste aus der vaterländischen Staats- und Kirchenge schichte, aus der Altertumskunde und Literatur ge bracht. Ebenso wenig könne eine vollständige Pfarrge schichte geboten werden, und zwar nicht bloß wegen der Unmöglichkeit, sondern auch, weil es dem ange kündigten Zweck widerlaufe. Denn, so führte D. aus, um eine solche Geschichte zu liefern, würde ich jeden Acker und jede Wiese der Kirche und ihres Pfarrers, und nicht nur dies, sondern auch jede darüber entstan dene Streitigkeit erzählen, ich würde die Inventarien aller Kirchen und PfarrhÖfe aus allen Zeiten aufneh men, alle Kirchenrechnungen durchgehen, zahllose Na men von Cooperatoren anführen und viele andei'e Ge genstände berühren müssen, die für den Leaer ganz ohne Interesse bleiben. Mögen sie wie immer für den

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