Maria Bührer, ich selbst blieb Chefredak teur auch der fusionierten Zeitschrift. Dem neuen „Seelsorger" war es gelungen, die Abormentenzahl innerhalb von fünf Jahren um mehr als das Dreifache zu erhöhen, dessen Verbreitung sich über ganz Deutschland, die Schweiz und viele europäische und außereuropäische Länder erstreckte; erschienen ist er in Wien. Kardinal König schrieb „Zum Geleit" u.a.: ,3s wird notwendig sein, die neuen Erkenntnisse imd Erfahnmgen, die sich mit den weltbewegenden Auswirkungen des Zweiten Vatikanischen Konzils ergeben, gründlich zu studieren, gleich zeitig aber auch die Resultate auf dem Gebiet des Ökuinenismus, der Soziologie, Anthropologie und Psychologie zu berücksichtigen und für die Pastoral zu integrieren. Auch scheint es unumgäng lich, daß die Erfahrungen und sogar die Experimente aus verschiedenen Ländern gesammelt, weitergeleitet und verarbeitet werden,d^t auch bei ims jeweils neuauflretende Probleme verstanden und bewältigt werden können. Nicht weniger wichtig sind die persönlichen Anliegen: die Pflege einer Spiritualität des heutigen Diözesanpriesters imd des Laien, die Konfrontation mit der Theologie der Gegenart und mit den bremienden Pro blemen der Menschen von heute sowie die Auseinandersetzung mit Fragen einer christlichen Menschen- und Gemeindefühnmg". Und im gemeinsamen Leitarti kel der Redaktion heißt es: ,>Ian kann mit Fug behaupten, daß in der 'Konstitution über die Heilige Liturgie', im 'Dekret über den Ökumenismus' und in wesentlichen Teilen der'Dogmatischen Konstitution über die Kirche' der Wunsch des unvergeßlichen Papstes Johannes nach pastoraler Ausrichtung des Konzils in Erfüllung gegangen ist und daß die im Konzil sich heute repräsentierende Kirche der Weit in glaubwürdiger Weise davon Zeugnis gibt, daß sie sich an das Heils wort Gottes dienend zu halten gedenkt und daß die von Christus bestellten Hirten in der Kirche nicht die Absicht haben, mit Legalismus, Ritualismus und Juridismus zu herrschen,sondern in gütiger Sorge der Brüdergemeinde zu dienen ... Immer wieder wird es in der Kirche Dogmatislen geben, die in ilir einen unveränderlichen, ewigkeitlichen Felsblock sehen, an dem die Mächte der Hölle zerschellen müssen ..." Ähnlich schrieb Karl Ralmer in einem Beilrag, in dem er die konziliare Lelire der Kirche der künftigen Wirklichkeit christlichen Lebens gegenüberstellte: Geist, die letzen Tendenzen, Perspektiven und Siiuispitzen dessen, was da geschah, sind das Wichtigste. Diese werden bleiben und wirken. Sie mögen vielleicht noch einmal von einer vorübergehenden Welle gegen läufiger Art, der Vorsicht, der Angst vor dem eigenen Mut, des Ersclireckens über falsche Konsequenzen, die man aus ihnen ziehen möchte, überdeckt werden. Es mag lür den Kurzlebigen und Kurzsichtigen so aussehen, als bleibe nach viel Gerede imd Getue doch alles beim Alten. Aber die wahren Keime einer neuer Saat, d.h. einer neuen Gesiimung und Kraft, die Zukunft von morgen christlich zu verstehen und zu bestehen, sind doch auf den Acker der Kirche gesät" Und tatsächlich: Den Kräften, die bald nach dem Konzil das Rad wieder zurück drehen wollten, mußten auch wir in der Zeitschrift wie im Seelsorgeinstitut uns immer wieder stellen. So schrieb ich schon 1967 in einem Leitartikel: „... Voraussetzimg für die Sicherung eines möglichst großen Freiraumes iimerhalb der Kirche für das theologische Gespräch, für die Findung der rechten Wahrheit und ihrer zeitgemäßen Formulierung, für eine offene Meinungsbildung, für die Suche nach je besseren, angepaßteren Wegen des kirchlichen Lebens und Wirkens, ist eine unvergiftete Atmosphäre ... Uns scheint die Entwicklung nach dem Konzil auf eine Verengung der Grenzen hinzu zielen. Bei gar manchen scheint die echte Gesprächsfähigkeit nur sehr beschränkt vorhanden zu sein"®. „Humanae Vitae"als Konzilsbremse Welche Dauerbelastung rückwärtsge wandte Kräfte für die weitere Entwick lung der Kirche bedeuten sollten,kann am besten das Stichwort ,ßumanae vitae" belegen. Das Konzil hatte in der Pastoral konstitution „Gaudium et spes" auch wichtige Aussagen zum christlichen Verständnis der Ehe gemacht, aber die Frage der Empfängnisverhütung nicht beantwortet, sondern den Auftrag erteilt, diese Frage weiter zu studieren. Die Kom mission aus Kardinälen, Bischöfen imd Fachtheologen kam mit großer Mehrheit zur Aussage, daß Empf^gnisverhütung unter bestimmten Bedingungen erlaubt ist, z.B. wemi ein Ehepaar in seiner ver antworteten Familienplanung zur Über zeugung kommt, daß ein weiteres Kind nicht mehr zu verantworten ist. Eine kleine Gruppe von Kardinälen und Bi schöfen (darunter der jetzige Papst) ver faßten daraufhin eine Art Minderheitenvo tum, das, von einem einseitigen Ver ständnis des Naturrechts ausgehend, ein strenges Verbot jeder Empfängnisverhü tung enthielt, weil nur dies der Tradition entspreche. (Daß dieses Traditionsargument falsch ist, bewies der Redemptoristentheologe J. M. Fischer mit dem Hin weis, daß der berühmte Moraltheologe und Kirchenlelirer Alfons von Liguori mit vielen anderen lelirte, daß Empfäng nisverhütung in bestimmten Situationen nicht nur erlaubt sondern sogar geboten sei'). Papst Paul VI. schloß sich dem Minderheitenvotum an und veröffentlichte deren wichtigsten Aussagen in seiner Enzyklika „Humanae vitae" vom 29. Juli 1968. Das war ein schwerer Schlag gegen den Geist des Konzils, dessen Durchfüh rung sonst dem Papst durchaus ein großes Anliegen war. Diese Entscheidungen sollten zu einer Dauerbelastung für die weitere Entwick lung der Kirche werden. Da der größere Teil der Gläubigen in ilirem Glaubens und Sittenbewußtsein und aufGrund ihrer Erfahrung eindeutig auf der Seite jener Bischöfe und Theologen stand, die sich für die Erlaubtheit einer verantworteten Empfängnisverhütung bzw. für die Zulässigkeit einer Gewissensentscheidung (Maria Troster Erklärung) aussprachen, wurde die Kluft zwischen konservativen Kräften und den Gläubigen immer größer. Dies führte auch zu einer schweren Autoritütseinbuße des Papstes. Zugleich wurde die römische Kurie gestärkt, indem die römische Bischofssynode nicht als kollegiales Leitungsorgan, das gemeinsam mit dem Papst grundlegende Fragen entscheiden sollte, sondern als bloßes Beratungsgremium errichtet wurde. Damit fiel ein Gegengewicht der Ortskirchen gegenüber der römischen Zentrale aus. DasProblem der Empfängnisverhütung und der Wiederverheiratung Geschiedener belastet seitdem die gesamte Entwicklung. So blieben z.B. alle Bemü hungen um eine pastorale Lösung der Probleme um die Wiederverheiratung Geschiedener, die neben vielen anderen auch von uns im Pastoralinstitut und in der Pastoralkommission immer wieder versucht wurde, mit Blick auf Rom weit gehend unwirksam. Seit den Siebzigeijahren wurde die ,3echtgläubigkeit" in diesen Fragen der Sexualität, Empfäng nisverhütung und des Ausschusses der wiederverheirateten Geschiedenen von den Sakramenten sogar zu einem Haupt kriterium für die Ememiung von Bischö fen: Wer sich in einer dieser Fragen nicht konform geäußert hatte, hatte kaum mehr eine Chance, als Bischof eine Diözese zu leiten. Ein anderes Beispiel, welche Bedeu tung die Verengung auf dem Gebiet der Sexualmoral und der Ehelehre für die nachkonziliare Entwicklung der Kirche hatte: Um Konflikte mit Rom zu vermei den, wurde von der Deutschen Bischofs konferenz sowohl die geplante imd weit gediehene Herausgabe eines großen Handbuches für Ehe und Familie durch das Institut für Ehe und Familie in Köln und die Vorbereitung eines Kongresses zu Ehe und Familie gestoppt. An beiden Projekten hatten wir vom Seelsorgeinstiut mitgearbeitet. Unter diesen Umständen war es ver ständlich, daß die unterschiedlichen Auf fassungen zu Fragen der Sexualität bis in die jüngste Zeit die häufigste Ursache für Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Kirche waren. Dabei gab es natürlich auch belastende Übertreibungen in die andere Richtung, wie den Vortrag von Emst Eil auf der Weihnachts-Seelsorgertagung 1970 zum Thema ,3umanisierte Sexualität - partnerschaftliche Ehe - er füllte Ehelosigkeit". Trotzdem gelang es immer wieder, Texte zu erarbeiten, denen auch die Bischofskonferenz zustimmen konnte. Bei vielen Themenbereichen, die wir im Pastcralinstitut, in der Pastoralkom mission oder auch in Diakonia aufgegrif fen haben,ging es darum, mit gründlicher Information zunächst einmal das Pro blembewußtsein zu wecken. Die Infor mationen kamen von den Erfahnmgen der Menschen mid der Seelsorger und Seel sorgerinnen, von den neuen Einsichten, 52
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