Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

gleicher Weise gilt. - So wurde die ,J'reiheit filr Religion" vom Konzilsdoloiment näher bestimmt als Freiheit von jedem Zwang,das heißt, daß in religiösen Dingen niemand von irgendeiner Instanz gezwungen werden darf, gegen sein Ge wissen zu handeln. Das Konzil wollte damit vor allem erklären, daß dieses Recht auf freie Entscheidung in der Würde der menschlichen Person begrün det ist. - Die Wahrheitsfrage des Chri stentums wurde damit nicht berührt, sondern es wurde die Unabhängigkeit des religiösen Bekenntnisses vom Staat gefor dert und das Verhältnis von religiöser Mehr- und Minderheit entsprechend geregelt^. VUL Ausblick und bleibende Im pulse Heute, dreißig Jalu"e danach, ist das Konzil för eine ganze Generation bereits Geschichte geworden. Die heute Vierzig jährigen Itaben das Konzil vielleicht noch irgendwo als Medienereignis ihrer Schul zeit im Gedächtnis, viel mehr wohl nicht. Die Konzilsväter sterben langsam aus. Unter den insgesamt 238 Mitgliedern der Vni. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode, die im Oktober 1990 in Rom abgehalten wurde, befanden sich nur mehr 12 Konzilsväter. Jeweils zu den runden Jalirestagen fin den Tagungen statt, erscheinen Samntelbände mit Rückblicken imd Bilanzen. Ansonsten ist das Konzil in der breiten Öffentlicltkeit vom Vergessen bedroht. Tatsache ist aber; Es hat weitaus tiefer in die Geschichte eingegriffen als das Erste Vatikanum. Dementsprechend weil aus einander gehen die Urteile. Die Kritiker beklagen eine Verwirrung im Glauben als Folge eines .Pluralismus" in Theologie und Verkündigung, die sinkende Teil nahme der Gläubigen am Gottesdienst, die hohe Zahl der Priester, die ilu-en Benif aufgeben, die „Demokratisierung" der Kirche, die sinkende Autorität des Pap stes,insgesamt den sinkenden Einfluß der Kirche auf die Welt. - Heftige Kritiken von Minderheitsgruppen mit dem inzwi schen ins Schisma gegangenen Erzbischof Lefebvre als Speerspitze sind zeilweise an Scliärfe kaum zu überbieten. In seinem 1988 erschienen Buch mit dem Titel; „Sie haben ihn entthront" sagt dieser über das letzte Konzil: „Olme es als Ganzes zu verwerfen, glaube ich, daß es das größte Unglück dieses Jahrhunderts, ja, aller Jalu-hunderte seit der Stiftung der Kirche ist." Die Verteidiger des Konzils hingegen verweisen auf die Notwendigkeit eines inneren Gärungsprozesses, um das .ytggiomamento" Johannes XXHI. zu verwirklichen. Entklerikalisierung, De mokratisierung, Mitbestimmung der I..aien seien notwendige Bestandteile einer Kirche, die sich nun als wanderndes Gottesvolk versteht und ihre Sendimg in die.ser Welt erfüllen will, ökumenische Hinwendung, sowie positive Einstellung gegenüber anderen Weltreligionen eröff nen neue Perspektiven in einer einswer denden Welt. Ein Ausgleich der gegensätzlichen Auffassungen ist noch immer nicht in Sichf*.-So kommen zum Beispiel zwei bedeutende Männer der Kirche, der heu tige Präfekt der Glaubenskongregation, damals Konzilstheologe,- der andere als Konzilsvater, Kardinal König, der das Konzilsgeschehen entscheidend initbeeinflußt hat, zu einer ganz konträren Ein schätzung der Zeit nach dem Konzil. „Was die Päpste und die Konzilsväter erwarteten, war eine neue katholische Einheit; statt dessen ist man auf eine Uneini^eit zugesteuert;" sagte der Prä fekt der Glaubenskongregation, Kardinal Ratzinger,zwanzig Jahre danach in einem Gespräch mit einem Journalisten, „man hat sich eine neue Begeisterung erhoffr und man landete dagegen zu oft im Über druß und in der Entmutigung. Man hatte sich einen Schritt nach vom erwartet und man fand sich einem fortsclueitenden Prozeß des Verfalls gegenüber, der sich weitgehend im Zeichen der Berufung auf einen angeblichen „Geist des Konzils" abgespielt und dieses damit immer mehr diskreditiert hat" - „Wir dürfen die naclikonziliare Zeit nicht ausschließlich in Verbindimg mit dem II. Vatikanum se hen" betonte hingegen Kardinal König immer wieder, „es gibt zahlreiche An sätze, Einflüsse, Tendenzen, theologische Tliemen, die aus einer früheren Zeit, vor dem Konzil,in die nachkonziliare Periode eingeflossen sind, sie daher mitgestalten und mitformen. - Nicht alles, was in Berufung auf das H. Vatikanum geschah oder im kirchlichen Bereich versucht wurde, ist deswegen eine Frucht des Konzils. Ebensowenig sind Krisen, die in den Jahren nach dem Konzil innerhalb der Kirche oder in Verbindung mit kirch lichem Zeitgeschehen sichtbar wurden, eine notwendige Folge des Konzils. Man könnte sagen; Negative Erscheinungen gibt es trotz des Konzils in dieser Zeit"". So ging es bei den Diskussionen - vor allem im west- imd mitteleuropäischen Raum - gar nicht immer nur um die Be wertung verschiedener Konzilsaussagen. Die dabei in Erscheinung getretenen Fronten kreisten und kreisen vor allem um das rechte Kirchenbild in der Welt von heute. Dabei kommt den Diskussionspart nern von heute kamn melu zum Bewußt sein, wie selir die Kirche in der Welt von heute gerade aus den Aufbrüchen und Impulsen des Konzils heraus lebt. Zu diesen bleibenden, wegweisenden Impulsen zählt Kardinal König, der Konzilsvater, vor allem das auf diesem Konzil erlebte Bewußtsein, Weltkirche zu sein. Das „europäische Kleid" der Kirche wurde sichtbar abgelegt. Die Erkcimtnis, daß das vertraute abendländische Kleid der Kirche nur eines von vielen Kleidern der Kirche Christi ist, setzte sich allmäh lich durch. Die Kirche muß nun lernen, sich in anderen Kontinenten und Kulturen zu inkulturieren, mit allen damit verbun denen Spannungen und Problemen. Es ist eine Frucht dieses Konzils, wemt die Kirche in ihrer Vielfalt wächst, - einer Vielfall, die allerdings inuner niu so weit gehen kamt, daß die Einheit nicht Scha den leidet. Zu den bleibenden Impulsen und Auf trägen des Konzils rechnet Kardinal König weiters: die lebendige Kraft des Ökumenisnius. ,J)i6 Einheit aller Cliristen wiederherstellen zu helfen, ist eine der Hauptaufgaben des Heiligen Ökumeni schen Zweiten Vatikanischen Konzils. Denn Christus, der Herr, hat eine einige und einzige Kirche gegründet, und doch erheben melirere cliristliche Gemeinschaf ten vor den Menschen den Anspruch, das wahre Erbe Jesu Christi darzustellen; ...Der Herr der Geschichte aber, ... hat in jüngster Zeit begonnen, über die gespal tene Christenheit ernste Reue und Sehn sucht nach Einlieit reichlicher auszugie ßen"(Ökum.,Nr. 1). Wenn es auch heute mitunter so scheinen mag, als ob der ökumenische Dialog stagniere, so mag dies vielleicht eine Prüfung sein. Die ökumenische Bewegung ist ein langwieri ger Prozeß. Entscheidend ist es, das ge meinsame Erbe der Vergangenlieit höher zu schätzen, als das Tremiende. Darauf hat das Konzil die Christenheit aufmerk sam gemacht. Ein weiterer wichtiger Impuls des Konzils ist die ausführliche Auseinander setzung in mehreren Dokimienten mit dem Stand der Laien. Nach 400 Jahren seit der Refonnation findet sich hier zum ersten Mal der tlieologische Ort, um über die Aufgabe und Sendung der Laien in der Kirche autoritativ zu sprechen. Und ganz neue Töne klingen hier an, weim das Konzil in seiner Kirchenkonstitution (Nr. 33) feststellt: „Die Laien sind besonders dazu berufen, die Kirche an jenen Stellen und in den Verhältnissen anwesend und wirksam zu machen, wo die Kirche nur durch sie das Salz der Erde werden kann". Und danim haben die Laien, „entsprechend dem Wissen, der Zustän digkeit und hervorragenden Stellung, die sie eiimehmen,die Mögliclikeit, bisweilen auch die Pflicht, ihre Meinimg in dem, was das Wohl der Kirche angeht, zu erklären"(LG. Nr. 37). - Und Kardinal König wörtlich: „Es wird heute immer deutlicher, wie selir die Zusammenarbeit von Priestern und Laien, aber auch die Eigenständigkeit des Laienapostolates für die Zukunft der Kirche immer wichtiger wird"". Ein weiterer wichtiger Impuls, der in der Zukunft Kirche und Welt besonders bewegen wird, ist das Verhältnis der kaütolischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, besonders das Ver hältnis der katholischen Christen zum Volke Israel In die Zeit der Erarbeitung dieses Dokumentes fiel die Reise Papst Pauls VI. zum Eucharistischen Weltkon greß nach Bombay im Dezember 1964. Dort sagte der Papst bei einer seiner großen Reden, daß es heule nicht nur darum ginge, durch moderne Kommuni kationsmittel, durch Presse imd Rund funk, zusarmnenzukommen, „sondern" - so Paul VI.- „wir müssen mit dem Her zen zusaimnenkommen". Dieser Gedanke machte damals in Indien großen Eindruck. Eine weitere, aufsehenerregende Auswirkmig des Konzils war daim das 48

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