Verhälüiis der Kirche zu den nichtcliristlichen Religionen über die Bühne. Letz tere, nach ihrem Kernstück häufig auch „Judenerklärung" genannt, hatte die Gemüter streckenweise sehr bewegt,nicht zuletzt iniblge Polemiken verschiedener Art, aber auch politischer Interventionen von Seiten der arabischen Staaten. hl seiner Homilie am 28. Oktober 1965,dem Tag der feierlichen Verkündi gung,riefder Papst,aufdie promulgierten fünf Texte anspielend, aus: ,JDie Kirche lebt!" Sie ist nicht vergreist, sondernjmig; sie läßt sich nicht in den Strudel des geschichtlichen Wechsels hineinreißen, sondern bleibt sicli gleich; sie spricht, sie betet, sie wächst, sie baut sich auf. Das von Papst Johaimes XXin. einberufene Konzil „repräsentiert die ganze Kirche" (jotam repraesentat)". Am 18. November 1965 wurden die Dogmatische Konstitution über die gött liche Offenbarung,sowie das Dekret über das Apostolat der Laien,letzteres fast einstinunig angenommen,verkündet. Blieben noch drei »J'roblemkinder"; das Missionsdekret, das Dekret über Dienst und Leben der Priester, sowie das Schema 13, die Pastoralkonstitution „Gaudium et spes". Letztere bereitete weitaus die größten Sorgen. Als umfang reichster Konzilstext mit 93 Absclmitlen wollte sie „eine grundsätzliche Neubeslinunung des Verhältnisses der Kirche zur Welt" sein, um dadurch die Kirche der Welt zuzuwenden, von der sie sich ein Jalirhundert zuvor im Syllabus distanziert hatte. Eine in zelui IJnterkonunissionen aufgegliederte Konunission bemühte sich, über 3000 Änderungsvorschläge fiir die Abstiimnungen in den Text einzuarbeiten. Diese Konstitution, mit Enthusiasmus als das „Herz des Konzils" begrüßt, sollte bis zum heutigen Tag nicht unumstritten blei ben. Alle drei wurden, zusaimnen mit der Erklänmg über die Religionsfreiheit, aber schließlich am 7. Dezember 1965 angenonmien und feierlich verkündigt. In diesen letzten Tagen wurde die öku menische Ausrichtung des Konzils durch .zwei Ereignisse berülirend und eindnicksvoll bekräftigt. Am 4. Dezember halte der Papst die Beobachter des Konzils in einer alle Teilnehmer tief beeindnickenden An dachtsstunde draußen in St. Paul vor den Mauern persönlich verabschiedet. In seiner Ansprache spiegelte sich der ökumeiiisciie Wandel, der durch das soeben zu Ende gekommene Konzil in der katho lischen Kirche bereits vor sich gegangen war. ,dhre Abreise schafft imi ims eine Einsamkeit", sagte der Papst,„die wir vor dem Konzil nicht kaimten und die uns jetzt traurig stinunt. Wir möchte Sie immer bei uns sehen! Das verpflichtet mis, Dmen Dank zu sagen, daß Sie an unserem Ökmnenischen Konzil teilge nommen haben. Wir haben Hire Noblesse, Ihren frommen Siim, Hire Geduld und Liebenswürdigkeit bewundert. ...So wer den mit Direr Abreise unsere geistlichen imd herzlichen Beziehungen, die Urne Teilnahme am Konzil bewirkt hat, nicht beendet. Sie beendet nicht den stillen begomieneii Dialog, sondern verpflichtet uns im Gegenteil, danach zu suchen, wie wir ilm fruchtbarer gestalten können. Die Freundschaft bleibt"". Ein zweites bewegendes Ereignis besclireibt Kardinal König immer wieder als Konzilsvater und Augenzeuge: Schlüsselerlebnis der vom Konzil ausge henden Impulse und des später einsetzen den Rezeptionsprozesses war für mich der Abschluß des Konzils in St. Peter am 7. Dezember 1965. Papst Paul VI. hielt den feierlichen Abschlußgottesdienst. In St. Peter befand sich auch ein Vertreter des Ökumenischen Patriarchen Athenagoras von Konstantinopel, Metropolit Meliton, in seiner prachtvollen orientalischen liturgischen Kleidung. Am Schluß des Gottesdienstes wurde er von Paul VI. gebeten, zum Papstaltar hinaufzusteigen. Ich selbst gehörte zu der kleinen Gruppe, die am Papstaltar alles genau miterleben komite, als der Papst nun der dichtgeftlllten Kirche von St. Peter feierlich mit teilte: „Zu dieser Stunde verkündet der Patriarch von Konstantinopel und ver künde ich jetzt als Inhaber des Petrusamles, daß jene Bulle, die das Schisma von 1054 ausgelöst hat, welche die Kirche in eine abendländische und eine morgenlündisclie getrciuit hatte, daß diese Bulle und ilir Inlialt ab heute für nichtig erklärt werden." - Mit diesem Augenblick war der seinerzeitige Riß, der die Cliristenheit zum ersten Mal Iremite, wenigstens rechtlich geheilt. Damals ging ein Brausen des Beifalls durch die ganze Kirche. Naclüier sagte mir einer der Anwesenden, ein Professor der Kirchcngeschichte an einer Universi tät: „Wissen Sie, mir sind die Tränen in den Augen gestanden wäluend dieses Vorganges, denn mir wurde bewußt, - nicht als Kirchcnliistoriker, sondern als Historiker allgemein,- welche Bedeutung dieser Moment ftlr die gesamte geschicht liche Entwicklung der Welt hat"* hl seiner Homilie wälirend der gemein sam mit 24 Konzilsvätem gefeierten Messe räiunte der Papst ein, „daß nicht wenige Fragen, die während des Konzils aufgenonunen worden sind, noch einer befriedigenden Lösung harren"; demioch dürfe man sagen, das Konzil habe dem von Papst Johaiuies XXin. gesteckten Ziel entsprochen. Nicht um sich selbst zu bespiegeln, habe sich die Kirche mit sich befaßt, sondern um des Menschen wil len^', Am darauffolgenden Tag, dem 8. De zember 1965, wurde in einer auf dem Petersplatz veranstalteten Schlußfeier das Zweite Vatikanische Konzil für geschlos sen erklärt. VII. Die Dokumente des Konzils Das Zweite Vatikanum war von Papst Johamies XXTI., nicht zuletzt um seine Freilieit zu bewaliren, in seiner Thematik nicht systematisch geplant worden. Es sollte ein pastoral ausgerichtetes Konzil sein, in dem die Kirche versucht, sich allen Fragen und Problemen der Welt von heute und der Menschen in ihr zu stellen. Die über 70 vorkonziliaren Entwürfe fiir mögliche Konzilsdekrete bezogen sich demnach so ziemlich auf alles, womit die Kirche sich überhaupt befassen kann. Die Auswahl aus dieser Thematik, woraus sich schließlich die 16 angenommenen Dokumente kristallisierten, erscheint nur auf den ersten Blick zufällig. Sinnvoll geordnet, schließen sie sich zu einer Einheit zusammen,„die dieses Konzil der Kirche zu einem Konzil über die Kirche" macht". Das Konzil behandelt in seinen Texten sowohl das innere Leben der Kirche, wie auch die Sendung der Kirche nach außen". Die Entstehungsgeschichte dieser Texte war oftmals eine mühsame, wie bereits oben zum Teil dargelegt wurde. Ihre Sprache ist nicht einheitlich, infolge vieler verschiedener von jeweils verschie denen Kommissionen behandelter The mata, infolge zu großen Zeitdruckes, infolge imterschiedlicher innerer Anteil nahme der Konzilsväter. Positiv zu ver merken ist in jedem Fall die relativ ge ringe Zahl von sprachlichen Rückfällen in dürren Moralismus mid flache Aszetik, wie dies bei kirchenamtlichen Dokumen ten ansonsten oft der Fall ist. Aufbau und Zusanunenhang der Gedanken ist in der Regel nicht unmittelbar aus der Schrift entwickelt,sondern war aus dem heutigen Glaubensverständnis der Kirche und ihrer Theologie vorgegeben und wurde, in der Regel nachträglich, mit Bibelzitaten belegt. Was den Verpflichtungscharakter der einzelnen Konzilstexte angeht, so handelt es sich dabei zum einen um menschliches Kirchenrechl in der Kirche; dort, wo es sich um lehramtliche Erklärungen des Konzils handelt, ist deutlich zu erkennen, daß dieses Konzil in allen seinen Texten von einem letzten Einsatz seiner Autori tät, das heißt, von eigentlichen dogmati schen Definitionen, abgesehen hat. Und wemi das Konzil natürlich auch weitge hend „dasjenige Glaubensbewußtsein der Kirche zum Ausdruck bringt, das an einer bestimmten Lelire mit einer absoluten Glaubenszustimmung festhält", so trägt es aber doch überall dort, wo dies nicht der Fall ist, eine „authentische, aber an sich deswegen noch nicht schlechthin irreformable Lelire" vor". Das Zweite Vatikanum war ein pastorales Konzil; vielleicht war dies der tiefe Grund für den Umstand,daß es nicht nur, wie frühere Konzilien auch, die bleibenden Prinzipien der Kirche, ilires Dogmas, ilirer Moraltheologie ibnnuliert und nonniert hat, sondern darüber hinaus mit Mut und (^timismus,- im Bewußt sein der Schwierigkeit einer Gratwande rung zwischen dogmatischen und moral theologischen Prinzipien einerseits imd charismatisch inspirierten Weisungen andererseits, - eben solche Weisungen gab, im Hinblick auf konkrete Situatio nen, die die verantwortliche Freiheit des Menschen innerhalb der Kirche heraus forderten. Gnmdsätzlich gilt für das Zweite Vati kanische Konzil, was für die Kirche im allgemeinen gilt: „Menschen haben es abgehalten imd haben in seinen Verlauf 43
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