geklärt werden. Die Zahl der am Wieder aufbau beschäftigten Arbeiter betrug ungefähr 180 Mann. Der Umfang der Bauarbeiten warf na türlich die Frage nach ihrer Finanzierung auf. Im Katalog der Ausstellung: ,J)er St^hansdom, Geschichte, Deiüanäler, Wiederaufbau", die im Jahr 1948 von der Domkirche selbst im österreichischen Museum für angewandte Kunst veranstal tet worden war, ging der damalige Dom baumeister Karl Holey unter anderem auch aufjene Frage ein, die „besonders jenen grofJe Sorgen macht,deren Opferbereitschafl für den Dom gering ist und die gerne wissen möchten, wie die Mittel für den Wiederaufbau aufgebracht werden, - wobei gewöhnlich die Meinung geäußert wird,d^ hier der Staat, also der schwer geprüfte Steuerträger den größten Teil der Kosten tragen müßte. Diese besorgten Gemüter können beruhig werden mit der Antwort,daß bis heute nicht ein Groschen Unterstützung aus staatlichen Mitteln oder aus sonstigen Steuergeldem beige tragen wurde, sondern daß der ganze Aufwand durch freiwillige Spenden, durch den Ertrag der Dombaulotterie und der Briefmarkenserie aufgebracht wurde. Die Liebe des Wieners zu seinem Dom, die in so vielen Liedern und Legenden zum Ausdruck kommt, ist also keine platonische, sondern sie hat sich in der Tat bewährt"*'. - Am bekanntesten wurde in der Folge die sogenannte ,J)achziegelaktion", in deren Verlauf unzählige Freunde und Helfer des Domes einen oder mehrere Dachziegel zum Preis von öS 5.- kaufen konnten. Der erste Bauabschnitt fand in der Eröflhung des Langhauses am 19. Dezember 1948 seinen Abschluß. Tausende Men schen nahmen an diesem Fest teil, das ein Symbol für das Wiedererstehen Öster reichs war. Die finanzielle Situation war aber dennoch zeitweise sehr angespannt. So versuchte ab dem Jahr 1950 der damalige Dompfarrer Dr. Karl Dorr,im Auftrag des Kardinals, neue Geldquellen zu eröffnen. Die„Stephansgroschen-Aktion" wurde ins Leben gerufen. Dompfairer Dorr gelang es damals vor allem, viele öffentliche Mittel des In- und Auslandes zu mobilisieren. Daß dies nicht immer eine leichte Auf gabe war, schimmert ein wenig in seiner Danksagung durch, die er in der Domfest nummer der.J^urche" vom 26. April 1952 so formulierte: „Wer die letzten zwei Jahre des Kampfes um die Wiederherstel lung des Domes mit der ganzen Leiden schaft des Herzens miterlebt hat, wer immer wieder um das Gelingen des Wer kes gebangt und oftmals gegen alle Hoff nung das manchmal urunöglich Schei nende erhofft hat, der weiß, wie wenig Grund zu Stolz,zu Jut>el oder auch nur zu lauter Freude ist. ... Noch im September 1951 schien es, als ob man den Bau end gültig einstellen müßte. Die Mittel reich ten gerade noch bis Ende Oktober. Da begaben wir uns zu dritt auf die Fahrt in die Bundesländer. Und das kaum Glaub liche geschah: Nicht ein I.and schloß sich aus von dem großen Werk. 2,8 Millionen in Geld imd Sachspenden waren der greifbare Erfolg dieser Fahrt. Aber noch immer reichte es nicht. ... Da entschloß sich die Bundesregienmg, eineinhalb Millionen zu zeichnen, die Kammern spendeten großzügige Summen, ebenso die Vereinigung österreichischer Indu strieller. Sammlungen, Festveranstaltun gen, Ausstellungen wurden durchgeführt. Und unentwegt waren es immer wieder die kleinen Spender,die im wahrsten Sinn des Wortes Stein aufStein legten. Fahrten nach Belgien, Luxemburg, der Schweiz eröf&ieten neue Quellen. Sammlungen in Dänemark, Schweden, England, Frankreich, Liechtenstein und anderen Ländern brachten fast eine Mil lion Schilling. Und der Dompfarrer faßt zusammen: ,^;twa 27 Millionen kostete der ganze Dombau bisher. Und er hat 130 Arbeitern und ihren Familien durch sie ben Jahre das tägliche Brot gegeben Schwerer als dieses Ringen um die mate rielle Grundlage des Baues aber war die Bewältigung der technischen und organi satorischen Probleme, nicht zuletzt aber der künstlerischen und religiösen Gestal tung des Domes In diesem Dom gibt es keinen Stein, dessen Werdegang wir rucht liebevoll verfolgt tmd dessen Be stimmung wir nicht einträchtig festgehal ten haben Ob uns das Werk gelungen ist, mögen die Freunde aus nah und fern am Tage der Domeröffnung selbst beurtei len. Wir selber wissen, wie der Dombau von allen, die ihm dienen, die letzte Kraft verlangt"". Am 26. April 1952 feierte daiui ganz Österreich die Wiedereröf&iung des ge samten Domes. Die neue Purnmerin, in St. Florian bei Linz gegossen, wurde im Triumphzug von Oberösterreich nach Wien gebracht. Die Glockenweihe und die anschließende Einweihung des Domes wurde zu einem unvergeßlichen Fest. Abseits von allem Jubel aber brachte es der scharfsinnige Denker und Publizist Friedrich Heer" in der Festbeilage der .J^urche" vom 26. April 1952 auf den Punkt, als er Überlegungen anstellte, wie der alte und nun wiederhergestellte Dom mit jenen ,4ieuen Domen unserer Welt, die ihre Rechte wieder an sich nehmen", konkurrieren karm: er nennt den .Xichterdom" des Films, der tagtäglich lebenshungrigen Massen „das Paradies einer Traumwelt im Flimmerbild" vor führt; er führt an die,JDome der Kultivier ten und Arrivierten, die zu gepflegtem Kunst- und Kulturgenuß zu festlicher Stxmde aufgesucht werden", Oper, Kon zert tmd Theater, er spricht von „Wunschräumen", die „mittels einer Kolportageliteratur, die heute, wie die Auflagen zeigen, Millicnenmassen nicht missen möchten",geschaffen wurden. Der Dom ist hingegen der Raum Got tes aufErden.Er ist Kraflzentrum,Ort der Reue, der Buße, des Abendmahles, des Opfers, der Predigt, der Erziehung, der Umformung, der Erbauung. Und „als Kraflzentrale der göttlichen Kräfte wird im Dom,im Raum Gottes",- so Friedrich Heer, - „der Mensch erbaut, umgebaut, erneuert. Und verläßt, ein neuer Mann, den alten Raum". Und nun wurde dieser Dom, der in Jahrhimderten erbaut worden war,in einer „unheimlich kurzen Zeit" wiederherge stellt. Das Gebot der Stunde ist es nun, nach der äußeren Wiederherstellung, an den inneren Dombau zu denken. - „Viele Predigten,in München,Wien und andern orts (überall waren ja Dome dem Men schen zum Opfer gefallen), haben es 1945 aufgezeigt, etwas, was in unserer kurzat migen Zieit viele schon vergessen wollen: unsere Dome waren lange bereits, ehe die Bomben ein äußeres Zerstörungswerk setzten, als sichtbarstes Zeichen,iimerlich aufgegeben, preisgegeben, verlassen, verraten worden. Nicht von fernen Flie gern, sondern von uns. Von uns Christen. Wenn wir also heute an den Dombau gehen wollen, dann müssen wir die Spra che verstehen, die in großer Nüchternheit und Geduld, aber auch in drängendem Emst der - technisch - wiederhergestellte Dom zu uns spricht. - Der Dom aber sagt: Dir werdet mich morgen nicht halten können, werm ihr mich heute nicht be zeugt"". Anmerkungen: ') Erwin Hesse, Der zerstörte Dom, eme Predigt, Wien 1945. ') V. Flieder-F. Loidl, St^hansdom, Zerstörung und Wiederaufbau (=Veröffentlichungen des kirchenhistori schen Instituts der kath.-theol. Fakultät der Universität Wien. 3), Wien 1967, S. 16 f. ') E. Tomek, Spaziergänge durch AltWien,Bd. 1, Graz-Wien 1927,S.77. *) M. Zykan, Der Stephansdom (=Wr. Geschichtsbücher 16121), Hamburg 1981, S.199. ')Wiener Diözesanblatt Nr. 9 vom 15. Oktober 1945,S. 28. ') Testarello della Massa, Die älteste Beschreibung der Stephanskirche, in: Wiener Dombauvereinsblatt, 2. Serie, S. 76, 106. ')J. Ogesser,Beschreibung der Metropolitankirche zu St. Stepham in Wien, Wien 1779,S.27. ») Vgl. dazu: Dombauvereinsblatt, 2. Serie, S. 178; 3. Serie, S. 135; FliederLoidl,(wie Anm.2)23 ff. ») Hirtenwort Kardinal Innitzers vom 30. November 1939, in: Geweihter Dom - heiliges Volk, Zur 600-jährigen Wieder kehr des Weiehtages von St. Stephan zu Wien,1340-1940,8. 13 f. ")Vgl. Flieder-Loidl(wie Anm.2)29. ")A. Penall, Tatsachenbericht, in; Der Dom 1985/1. ") L. Kodeischka, (1905-1994), Hauptzeuge der Domzerstörung, der als Einziger den Dom in den kritischen Tagen nie verlassen hat. ") DAW, Augenzeugenbericht Ko deischka,S. 3. '*)Penall(wie Anm 11). ")Penall,ebd. '«) DAW,Kodeischka,(wie Anm. 13) 6. ")DAW,Kodeischka,ebd.,S.7. '*)Penall(wie Anm. 11). ")Vgl. dazu; Aus den Aufzeichnungen
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