Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

dazu den Beitrag von Annemarie Fenzl) geht hervor, daß Mauern und Gewölbe des gotischen Chores gegen 1330 vollen det waren. In diese Zeit fallt auch die erste landesfürstliche Meßstiftung für St. Stephan."' An der Ausstattung des Chores arbeitete man vermutlich bis gegen 1340. Die Weihe von 1340 Aus einigen Ablaßbriefen und aus dem überlieferten Text einer Inschriftta fel geht hervor, daß am 23. April 1340 die Stephanskirche als ganzes, der neue Chor und der neue Hochaltar eingeweiht wurden. Ein Ablaß des Bischofs Konrad von Freising vom 4. April 1340''' für die Pfarrkirche St. Stephan in Wien „de novo reparata" ging voraus, der den Kirchenbesuch „in die dedicationis ceterisque solempnitatibus" (am Tag der Kirchweihe und an den übrigen Feierta gen)begünstigte. Ein Ablaß des Bischoffe Peter von Markopol vom 23. April 1340'" forderte den Kirchenbesuch .,ad anniversarium dedicationis chori dicte ecclesie sancti Stephani,quem hodie reverendus in Christo pater et dominus noster Albertus episcopus Pataviensis nobis eidem assistentibus consecravit" (am Jahrestag der Weihe des Chores der genannten St. Stephanskirche, den heute der ehrwürdige Vater in Christus, unser Herr Albrecht, Bischof von Pas sau, in unserem Beisein einweihte) und an den „festivitatibus patronorum singulorum altarium inibi fundatorum"(Fest tagen der Patrone, welchen die dort errichteten Altäre geweiht sind). Über die Weihe des neuen Hochaltars, die ebenfalls am 23. April 1340 stattfand, berichtete eine heute verschollene, links vom Altar angebrachte Inschrift tafel mit goldenen Lettern: (s. dieses Heft.S.1)." Zu den Altarreliquien gehörten dem nach Gebeine des hl. Stephanus, ein Stück des Steines, mit dem er gesteinigt wurde, Stücke vom Grab, von der Krippe und der Wiege Christi, Gebeine von 46 Heiligen bzw. Heiligengruppen. Die nach den Bränden von 1326 und 1327 wiederhergestellte Kirche, den neuen Chor und den neuen Hochaltar weihte also Bischof Albrecht von Passau am 23. April 1340. Die Wiener Bürgerschaft als Bauherr des gotischen Chores Als Bauherren des gotischen Chores sind in den Zwettler Belegen von 1303 und 1304 die Bürger Wiens bezeugt,'" den Tauschvertrag mit dem Deutschen Orden von 1309 schlössen Bürgermeister und Rat als oberstes Gremium der Bür gerschaft ab."" Demnach muß schon damals das Baubudget der Stephanskir che(1300 als „fabrica" erwähnt,"' später abwechselnd als ,,Werk" oder „Bau" bzw. „opus" bezeichnet),"- aus dem die Kosten des Chorbaues bestritten wur den, von der Bürgerschaft verwaltet worden sein; der damit betraute, dem Rat verantwortliche bürgerliche Funk tionär, Kirchmeister (magister ecclesie) genannt, amtierte wohl schon 1325,"'' ausdrücklich belegt ist er seit 1334."' Eine Einflußnahme der Herzöge von Österreich auf den Neubau des Chores ist nicht nachweisbar, die Intervention Albrechts 1. vom 20. Dezember 1303 kam nicht den Bürgern, sondern dem Stift Zwettl zugute."-"' Auch die erhaltenen Ablaßbriefe zu gunsten von St. Stephan aus der Zeit zwischen 1300 und 1341 scheinen eine Mitwirkung der Herzöge von Österreich auszuschließen. So sind als Petenten von Ablässen nur Petrus von Wien und seine Frau Engela (1323),"'' Ulrich Chiner (1326)."' Liphart (1327)"" und Ber thold Geukramer(1341),"" damals Kirch meister zu St. Stephan, bezeugt; hätte der Landesfürst einen Ablaß erwirkt, wäre dies wohl in der Urkunde ver merkt worden. In den zahlreichen Bele gen, welche die Stiflungs- und Spenden freudigkeit der Habsburger gegenüber kirchlichen Institutionen in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts erweisen,"" ist ebenfalls kein Hinweis auf eine För derung des Chorbaues von St. Stephan zu finden; wir wissen nur von sehr bescheidenen Legaten der Gemahlin Friedrichs des Schönen, Isabel (Elisa beth)(1328) und seiner Schwester Guta (1329) zugunsten der Wiener Hauptkir che, von Altar- und Meßstiflungen ist nur jene König Friedrichs des Schönen (um 1327/30) bekannt.'"^ Schließlich darf nicht übersehen werden daß die Bezie hungen der ersten Habsburger in Öster reich zur Wiener Bürgerschaft sehr schlecht waren;"" aus dieser Sicht ist die Annahme, daß der Chorbau dem Römi schen Königtum Albrechts 1. Rechnung tragen sollte,'" unwahrscheinlich. Man sollte daher von der Bezeichnung des gotischen Chores von St. Stephan als „albertinisch" im Sinne einer vermu teten Bauherrschaft Albrechts 1. (1282-1308) und Albrechts 11. (1330-1358) oder auch nur einer maßgeblichen Mit wirkung an dem Bau Abstand nehmen. Anmerkungen Abgekürzte zitierte Quellen und Druckwerke: Camesina = Albert v. Camesina, Die Maria-Magdalena-Capelle am Ste phansfreithof zu Wien und seine Um gebung, Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien 11 (1870)216-294. Czeike = Felix Czeike, Das Feuerlösch wesen in Wien (Wiener Schriften Bd. 18), Wien 1962. DAW = Diözesanarchiv Wien Flieder = Viktor Flieder, Stephansdom und Wiener Bistumsgründung (Veröf fentlichungen des kirchenhistorischen Instituts der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien, Bd. 6), Wien 1968. FRA 2/3 = Fontes rerum Austriacarum (hg. von der histor. Kommission der kaiserl. Akademie der Wissenschaf ten), Abtlg. 2. Bd. 3, Wien 1851 (Jo hann v. Fräst, Das Stiftungen-Buch des Cistercienser-Klosters Zwettl). Lohrman - Opll = Klaus Lohrmann und Ferdinand Opll. Regesten zur Frühge schichte von Wien (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, Bd. 10), Wien 1981. MB 29/2 - Monumenta boica (hg. von der kgl. bayer. Akademie der Wissen schaften), Bd. 29, 2. Teil, München 1831. MGSS 9 = Monumenta Germaniae historica, Abteilung Scriptores, Bd. 9 (bearbeitet von Wilhelm Wattenbach), 1851. Ogesser = Joseph Ogesser, Beschrei bung der Metropolitankirche zu St. Stephan in Wien, Wien 1779; dazu Urkundenanhang(Anh.). QuStW = Quellen zur Geschichte der Stadt Wien, hg. vom Altertums-Verein zu Wien (seit 1918 Verein für Ge schichte der Stadt Wien); zitiert wird aus den Bänden 1/1 (1895), 1/4 (1901), 1/5 (1906), 1/9 (1921), 2/1 (1898), 2/5 (1921),3/2(1911),3/3(1921) Regesta Habsburgica 3 = Regesta Habsburgica/Regesten der Grafen von Habsburg und der Herzöge von Oster reich aus dem Hause Habsburg, Bd. 3 (bearbeitet von Lothar Groß), Inns bruck 1924. Zykan = Marlene Zykan,Der Stephans dom (Wiener Geschichtsbücher Bd. 26/27), Wien-Hamburg 1981. ' Siehe zuletzt Richard Perger, 850 Jahre Tauschvertrag von Mautern, Bei träge zur Wiener Diözesangesehichte 28 (1987)34-37. ^ MGSS 9. S. 629; Flieder, S. 37-39; Lohrmann-Opll,8.48, Nr.92. •' QuStW 1/1, Nr. 239; Lohrmann-Opll,S. 103, Nr.363. 'MB 29/2, S. 336, Nr. 14; LohrmannOpll, S. 107, Nr.379. '■ Lohrmann-Opll, S. 95, Nr. 324. " QuStW 1/1, Nr. 722; vgl. Anm. 35. ' QuStW 1/1, Nr. 717; Lohrmann-Opll, S. 95, Nr. 324 " Wie Anm. 4, ferner Lohrmann-Opll, S. 158, Nr. 648. " Siehe Anm. 33-39. Zykan, S. 25 (Grundriß). '' Zusammenfassung der kontroversen Meinungen bei Flieder, S. 55f., und Zykan, S. 24. Siehe Ausstellungskatalog „St. Michael 1288-1988" (113. Sonderausstel lung des Historischen Museums der Stadt Wien), Wien 1988, insbes. die Bei träge von Richard Perger (S. 74-76) und Mario Schwarz (S. 112 f. ). „Wienna incendio fl agrat"; MGSS 9, S. 619, und Lohrmann-Opll, S. 76, Nr. 240 (hier zu 1193 datiert). ' ' Zykan, S. 28. Und zwar im Zusammenhang mit der 1245 bevorstehenden und durch den plötzlichen Tod des Herzogs 1246 hinfäl ligen Errichtung eines Bistums in Wien; siehe Flieder, S. 50 f. , 55, und Zykan, S. 23-26. Siehe Anm. 35. " Siehe Anm. 32. Siehe Anm. 74. MGSS 9. S. 644. MGSS 9, S. 645. Bei Flieder, S. 55, 62 f., und Zykan, S. 28, wird der Brand von 1262 nicht erwähnt. MB 29/2, 8. 450-452 und 485, Nr. 98; Flieder, S. 57, 63. " MG 28/2, S. 389; Flieder, S. 51, Anm. 37. MGSS 9, 8. 699-702; Flieder, S. 53. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Mün10

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