Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

seh.Da die Ausweichstadt Linz ebenfalls gefährdet erschien, zog er weiter nach Passau und kam dort per Schiff am 15. Juli an. Zunächst schien auch Passau noch nicht sicher genug, und deshalb wurden Überlegungen angestellt, das Hauptquartier an den Sitz „des immer währenden Reichstages" nach Regens burg zu verlegen. Verschiedene positive Entwicklungen, vor allem aber die un mittelbare Nähe des vom Kaiser hoch verehrten Passauer Mariahilfbildes, dürften ihn bewogen haben, in Passau zu bleiben und von hier aus die Ge schicke des Reiches zu lenken''. Von diesem Tag an bis zum 25. August - so berichten Passauerquellen - zog der Kaiser nach hektischen Kabinettsbera tungen, Diplomatenempfängen und Hofkriegsratssitzüngen Tag für Tag abends mit dem kaiserlichen Gefolge, dem Fürstbischof von Passau samt seinen Kanonikern, den Diplomaten, hohen Persönlichkeiten und den Bewohnern von Passau hinauf zum Mariahilferheiligtum auf den Schulerberg, um den Sieg über die Türken und die Befreiung der Kaiserstadt Wien zu erflehen'. Mit dieser Bittprozession zog auch Marchese Parella aus Savoyen und der 19jährige Prinz Eugen von Savoyen, dem er am 14. August auf Bitten Borgamaneros eine Privataudienz gewährt und als Voluntär ins österreichische Heer aufge nommen hatte''. Große moralische Unterstützung fand Leopold durch seinen priesterlichen Freund Marco d'Aviano, der ebenfalls großes Vertrauen zu ULF unter dem Titel ..Maria aiutortrice" hegte, den ihm jetzt in dieser Zeit der großen Not und Bedrängnis Papst Innozenz XI. als „Mili tärbischof' und geistigen Animator und Berater des Entsatzheeres zur Seite stellte. Von Aviano ging die Anregung aus, als Kampfruf für den Tag der Ent scheidungsschlacht die Parole „Maria hilf" auszugeben. Auf Intervention des protestantischen Verbündeten Johann Georg III. von Sachsen wurde die Tages devise in „Jesus und Maria hilf!" erwei tert". Gleich nach seiner Hochzeit in Passau gab Leopold grünes Licht für den Bau der k. k. Leopold! Schloß Capelln auf dem Kallenberg bei Wien. Der Kallen berg ist der letzte Felsen der 1200 km langen Alpen. Er ragt ins Donautal hinein, war nur von einer Seite zugäng lich, seit 3000 vor Christus besiedelt und ein strategisch wichtiger Punkt. Seinen Namen dürfte er vom Geschlecht der mit den Babenbergern aus Bayern ein gewanderten Kallenberger erhalten ha ben, die sich am Fuße des Berges(Kal lenberg, heute: KahlenbergerdÖrfel) nie dergelassen haben. Auf dem Kallenberg stand der Palast des von ihm so verehr ten heiligen Namenspatrons, des hl. Babenbergermarkgrafen Leopold,den er bereits 1663 zum Landespatron ernannt hatte. Diese heute als irrtümlich erwie sene Meinung hatte sich bis zu Beginn des Zweiten Weltkrieges erhalten. Dem bürgerlichen Kupferschmiedmeister Wolf. Khallmayer wurde die Erlaubnis gegeben ,.zur bedökhung der kayl. Ca pellen am Kaltcnperg in allem 49 Center 75# von dem am Neu Gebeu vorhande nen Kupfer sich ausfolgen zu lassen"". Am Tage der Entscheidungsschlacht um Wien,am 12. September 1683, hat P. Marco d'Aviano in dieser Leopoldi Ca pelln am Kallenberg (heute: Kirche auf dem Leopoldsberg) die historische hl. Messe gefeiert. So berichten alle alten Quellen. Gottfried Uhlich beruft sich in seinem Buch „Geschichte der zweyten türkischen Belagerung Wiens bey der hundertjährigen Gedächtnisfeyer 1783" auf 22 dies bezeugende Quellen". Auch der damalige Nuntius am kaiserlichen Hof, Kardinal Buonvisi, hat dies so nach Rom berichtet". Noch in der Nacht zum 12. September hat Marchese Parella aus Savoyen mit 60 Musketieren im Auftrage Karls von Lothringen das „alte und neue Gschloß und die Leopoldi Capelln am Kallen berg" von der türkischen Besatzung befreit. Unter diesen Befreiern befand sich auch Marcheses Landsmann, der neunzehnjährige Prinz Eugen, der sich dann am folgenden Tag bei der Be freiung Wiens die ersten Lorbeeren holte. Parella und Eugen nahmen kurz vorher in Passau mit dem Kaiser an Bittprozessionen zum Gnadenbild Ma riahilfteil'". Der Sieg über die Türken war errun gen, der Wiederaufbau begann. Der Kai ser vergaß in seinen vielen Sorgen und Problemen auf die durch die Türken beschädigte k. k. Leopoldi Schloß Ca pelln auf dem Kallenberg. Für P. Marco d'Aviano aber war die Leopoldi Capelln der Ausgangspunkt der Hilfe des Him mels für die Befreiung Wiens. War der Mariahilfberg in Passau eine Stätte des Bittens um die Befreiung Wiens, so sollte der Kallenberg eine Stätte des Dankens werden. Daher schrieb er am 27. Dezember 1692 von Padua aus an den Kaiser, gedrängt durch eine beson dere Eingebung vom Himmel - wie er eigens erwähnte er solle ein Bild der glorreichen Jungfrau Maria unter dem Titel Mariahilf auf l^einwand malen las sen in der Größe, daß es als Altarbild verwendet werden könne. Dieses Bild solle dann von der Hofkirche St. Augu stin in einer Öffentlichen Prozession in größter Feierlichkeit und Ehrfurcht un ter Beteiligung des Kaisers selbst, der ganzen kaiserlichen Familie, des Weltund Ordensklerus und des Volkes in den Dom zu St. Stephan getragen und auf einen Altar gestellt werden. Dort soll dann ein Festgottesdienst gefeiert wer den, bei dem der Kaiser und seine Familie die hl. Kommunion empfangen. Im Anschluß an den Gottesdienst soll der Kaiser selbst, vor dem Marienbild knieend, oder ein Ordensmann, dem Volke die dringenden Nöte vor Augen stellen und es auffordern, im andächti gen Gebet die Hilfe Gottes und den Schutz der Mutter der Barmherzigkeit herabzuflehen. Das Wichtigste sei, daß der Kaiser an den Stufen des Altares knieend feierlich gelobe, daß, im Falle ein allgemeiner, dauernder, gerechter und vorteilhafter Friede nach allen Sei ten hin zustande käme,er die Kirche am Kalenberg von Grund auf restaurieren und in ihr das Mariahilfbild zur dau ernden Verehrung des Volkes aufstellen lasse. Die Kirche soll Mariahilf-Kirche genannt werden. Als Begründung gibt d'Aviano an: Der Kalenberg ist der Ort, wo Eure Kaiserliche Majestät zu Beginn der großen Not die Hilfe des Himmels gegen den Feind der Christenheit in die Augen springend erfahren habe. Alle Häuser und Kirchen in Wien und Umge bung sind nach der Verwüstung durch die Ungläubigen wieder aufgebaut wor den, nur jene am Kalenberg (so fügt er halb vorwurfsvoll hinzu) ist noch in ihrem erbärmlichen Zustand verblieben. Ich glaube, Maria selbst hat mir diesen Gedanken,den ich Euer Majestät darge legt habe,eingegeben". Fast postwendend reagierte der Kaiser auf diesen Brief, den er zu seinem größ ten Trost empfangen habe. Auch er sei der Meinung, daß die Vorschläge, die der Kapuziner ihm unterbreitet habe, von Gott kommen müssen. Daher nehme er diese auch gerne in der ihm vorgelegten Form an und werde sich bemühen, den Vorschlag zu erfüllen. Doch einen Einwand möchte er gleich vorausschicken, bevor er sich an die Erfüllung des Vorschlages mache. Die Kirche oder Kapelle aufdem Kalenberg, schreibt der Kaiser in seinem Antwort brief vom 17. Jänner 1693, wurde erst vor einigen Jahren an derselben Stelle erbaut, wo der Palast des heiligen Leo pold zu seinen Lebzeiten(in vivis)stand. Sie wurde zu Ehren des glorreichen Heiligen erbaut imd ihm geweiht. Des halb wisse er auch nicht, ob er sich dazu entschließen solle, den Namen der Kir che(Leopoldi Capelln am Kallenberg)zu ändern, wenn auch der Heilige ganz gerne der allerheiligsten Jungfrau die sen abtreten wolle. Da aber dieser Ort dem Gedächtnis des hl. Leopold geweiht ist, wisse er nicht,ob es sich schicke,ihn umzubenennen. Alles andere werde er ganz gerne erfüllen'^. Da der Kaiser in seinen folgenden Briefen keine Erwähnung von der Reali sierung seines Vorhabens mehr machte, erinnerte ihn P. Marco gegen Schluß seines langen Briefes vom 8. April aus Padua daran. Er solle nicht vergessen, das ins Werk zu setzen, was er ihm betrefls der Erwählung der Mutter Got tes als Anwalt bei Gott unter dem Titel Mariahilfempfohlen habe,besonders für dieses Jahr, das so wichtig sei wie nur mögUch. Weim der Kaiser dies nicht am Kalenberg ins Werk setzen könne, so soll es bei einer anderen Kirche gesche hen,die ihm geeignet erscheine' In seinem Schreiben aus Laxenburg vom 16. Mai 1693 berührt der Kaiser wiederum dieses Thema. Bis jetzt habe er sein Versprechen, was die Verehrung der Madonna Santissima unter dem Titel Mariahilf anbelangt, noch nicht einge löst. Allerdings sei das nicht durch sein Verschulden geschehen. Er habe noch keine Zeit gefunden, alles dafür zu re geln. Aber er werde es bald in Angriff nehmen. Noch ein Bedenken habe er wegen des Titels Mariahilf. Das italieni sche Wort soccorso heiße im Deutschen Hilfe. Nun wird in Passau die wundertä tige Jungfrau unter dem Titel Mariahilf vom Volke angerufen und sehr verehrt. 28

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